Zürich 1836/1837

Zürich zur Zeit Georg Büchners  

 

19. – 24. Oktober

7.3. Burghard Dedner: Wie finanzierte Büchner sein Leben im Exil?Büchner logiert vorübergehend im Gasthof „Zum Schwerdt“ am Weinplatz 10 am linken Limmat-Ufer.

Panorama von Zürich

24. Oktober

LZ 4570 Karl Gutzkow 1837

Büchner zieht in das Haus des Regierungsrats und Medizinprofessors Dr. med. Hans Ulrich Zehnder in der Steingasse (heute Spiegelgasse) 12. Er wird dort Wohnungsnachbar des Ehepaares Wilhelm und Caroline Schulz.

In dem Haus wohnen auch der ehemalige Gießener Schulfreund Hermann Trapp, der im August 1835 gegen Büchner bei Gutzkow intrigiert hatte, LZ 4030 Verzeichniss der politischen Flüchtlinge und der Gießener Flüchtling Carl Schmidt, in der Folgezeit ein enger Freund Büchners. Trapp und Schmidt ziehen jedoch beide innerhalb der folgenden Wochen aus.

LZ 4235 Lüning an Franzos 1877 Trapp hatte zuvor von Büchner "mit einer solchen überschwenglichen Begeisterung" gesprochen, dass - wie August Lüning sich erinnerte - "wir Alle auf’s Höchste gespannt auf B. wurden, dessen Ankunft in Zürich wie es hieß bevorstand."

Etwa 25. Oktober

LZ 4260 Ludwig Büchner 1850

Wohnhaus Georg Büchners in Zürich Büchner bespricht mit Dekan Johann Georg Baiter sein Lehrprogramm für das Wintersemester. Ludwig Büchner berichtete 1850: Da „Professor Bobrik bereits philosophische Vorlesungen angekündigt hatte, so sparte er, um Collisionen zu vermeiden, diesen Plan für das folgende Sommersemester auf und entschloß sich zur vergleichenden Anatomie.“ Tatsächlich meldete Büchner Ende Januar der Universitätsverwaltung, dass er im Sommer über „Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere“ lesen werde. LZ 4060 Universität Zürich: Ordnung für die Zulassung von PrivatdocentenFür das Habilitationsverfahren bereitete er eine thematisch zur vergleichenden Anatomie passende „Probevorlesung“ vor.

26. Oktober

Erster Brief Georg Büchners aus Zürich an die Familie mit einer Anmerkung zur politischen Lage. 26. oder 25. Oktober 1836. An die Eltern in Darmstadt Weitere Inhalte lassen sich aus dem Antwortbrief der Mutter vom 30. Oktober erschließen.

30. Oktober

Büchners Mutter, Caroline Büchner, schreibt an ihren Sohn nach Zürich:

„welche Freude als Dein Brief vom 25ten Oktober das Postzeichen Zürich darauf ankam. Ich jubelte laut; denn obgleich wir uns gegenseitig nichts sagten; so hatten wir alle große Angst, und wir glaubten kaum daß Du glücklich über die Gränze kommen würdest. Die Sache hat mir vielen heimlichen Kummer gemacht, nun Gott lob auch dies ging glücklich vorüber. –“ 30. Oktober 1836. Von Caroline Büchner nach Zürich

November bis Januar

Einleitung zu Leonce und Lena

Einleitung zu Woyzeck Büchner vollendet in dieser Zeit vermutlich das Lustspiel Leonce und Lena. Er schreibt die Woyzeck-Handschriften H3 und H4 Woyzeck .

LZ 4260 Ludwig Büchner 1850 Die Briefe aus der Züricher Zeit sind, wie Ludwig Büchner zusammenfasst, „meist heiter und voll Zufriedenheit“. Häufig habe Büchner freilich „nach den Darmstädter Gefangenen (Minnigerode, Küchler, Gladbach und Andere)“ gefragt, „deren Untersuchungen damals mit besonderer Strenge geführt wurden, und immer wirft die Erinnerung an seine unglücklichen Freunde, die leiden müssen, während er frei ist, einen düstern Schatten in seine sonst fröhliche Stimmung“.

In Zürich erneuert Büchner besonders seine Freundschaft mit den Straßburger Bekannten Wilhelm Schulz und Caroline Schulz, die durch Vermittlung von Adolf Ludwig Follen (1794–1855) bereits im September 1836 nach Zürich gekommen sind. Seit dem 7. November 1836 wohnt das Ehepaar Schulz ebenso wie Georg Büchner in Zehnders Haus in der Spiegelgasse. Wie Büchner tritt auch Schulz im Wintersemester 1836 eine Dozentur in Zürich (an der juristischen Fakultät) an. Nach dem Honorarbogen von Schulz befindet sich auch Georg Büchner unter seinen eingeschriebenen Hörern.

LZ 4260 Ludwig Büchner 1850 Büchner trifft in Zürich weiterhin die ihm bekannten Flüchtlinge Hermann Trapp, Georg Geilfus und Wilhelm Braubach und „befreundet“ sich mit „Professor Sell und dem damaligen Tagsatzungsgesandten Dr. Zehnder, bei dem er wohnte“. Er findet die besondere Anerkennung von Lorenz Oken, mit dessen Familie er „bald sehr befreundet wurde“. Der ebenfalls renommierte Anatomieprofessor Friedrich Arnold „stellt ihm seine Bibliothek“ und Johann Lukas Schönlein „seine werthvollen Präparate zur Verfügung“. „[M]an hatte sogar im Züricher Erziehungsrathe die Absicht, sehr bald für ihn eine Professur der vergleichenden Anatomie zu creiren.“

November*

LZ 4235 Lüning an Franzos 1877 Büchner macht zusammen mit Caroline und Wilhelm Schulz sowie August Lüning und dem Altphilologen Hermann Sauppe (Privatdozent in Zürich) einen Ausflug auf die Burgruine Manegg im Sihltal bei Zürich.

2. November

LZ 4080 Öffentliche AnkündigungBüchners Probevorlesung wird vom Dekan der Philosophischen Fakultät öffentlich angekündigt

5. November

 „[V]or einem sehr zahlreichen Publikum“ und zum „allgemeinsten Beifall“ hält Büchner seine „Probevorlesung“ über Schädelnerven Einleitung zur Probevorlesung  Probevorlesung als Voraussetzung für seine Aufnahme unter die Privatdozenten der Hochschule.

LZ 4085 Philosophische Fakultät. ProtokollAm Nachmittag des 5. November empfiehlt die Philosophische Fakultät der Universität Zürich dem Erziehungsrat Büchners "Aufnahme unter die Privatdocenten der Hochschule" LZ 4120 Erziehungsrat Zürich: Mitteilung an den akademischen Senatund der Erziehungsrat erteilt Büchner die „Bewilligung, als Privatdozent an der Züricher Hochschule aufzutreten“.

15. November

Privatdozent in Zürich 1836/37Beginn der Einschreibungen für Büchners Vorlesung über vergleichende Anatomie („Zootomische Demonstrationen“) und vermutlich auch Beginn der Vorlesungen. LZ 4150 Einschreibungen für Büchners KollegOffiziell eingeschriebene Zuhörer sind Johann Jacob von Tschudi LZ 4240 von Tschudi, Brief an Karl Emil Franzos , der später über Büchners Vorlesungen berichtete, Offo Oken, der Sohn von Lorenz Oken, der später als Schweizer Geologe bekannt gewordene Privatdozent Arnold Escher von der Linth und die deutschen Emigranten Julius Thankmar Alban und Wilhelm Schulz. Zumindest bei der letzten Einschreibung handelte es sich um eine Gefälligkeit. LZ 4235 August Lüning, Brief an Karl Emil Franzos Auch Büchner war formell Zuhörer in Schulz' Vorlesung. Ein weiterer Zuhörer ist möglicherweise der - nicht offiziell eingeschriebene - August Lüning, der ebenfalls einen Bericht über Büchners Vorlesungen verfasst hat.

20. November

Büchner bedauert Karl Minnigerode, von dessen Tod er (irrigerweise) gehört hat. Über seinen neuen Aufenthaltsort schreibt er den Eltern:

„Was das politische Treiben anlangt, so könnt Ihr ganz ruhig sein. Laßt euch nur nicht durch die Ammenmährchen in unseren Zeitungen stören. Die Schweiz ist eine Republik, und weil die Leute sich gewöhnlich nicht anders zu helfen wissen, als daß sie sagen, jede Republik sei unmöglich, so erzählen sie den guten Deutschen jeden Tag von Anarchie, Mord und Todtschlag. Ihr werdet überrascht sein, wenn ihr mich besucht; schon unterwegs überall freundliche Dörfer mit schönen Häusern, und dann, je mehr Ihr Euch Zürich nähert und gar am See hin, ein durchgreifender Wohlstand; Dörfer und Städtchen haben ein Aussehen, wovon man bei uns keinen Begriff hat. Die Straßen laufen hier nicht voll Soldaten, Accessisten und faulen Staatsdienern, man riskirt nicht von einer adligen Kutsche überfahren zu werden; dafür überall ein gesundes, kräftiges Volk, und um wenig Geld eine einfache, gute, rein republikanische Regierung, die sich durch eine Vermögenssteuer erhält […].“ 20. November 1836. An die Eltern in Darmstadt

21. November

LZ 4160 Honorarauszahlung Universität ZürichBüchner erhält die erste Rate seines Honorars als Privatdozent in Höhe von 41.16 Franken. Auszahlungstermin für die zweite Rate in Höhe von 27.44 Franken ist der 11. März 1837. Insgesamt werden für fünf eingeschriebene Zuhörer 68.60 Franken berechnet.

23. November

LZ 4130 Akademischer Senat, Protokoll Der akademische Senat der Universität Zürich billigt „wegen der Dringlichkeit“ Büchners Aufnahme als Privatdozent.

26. November

LZ 4030 „Verzeichniss der politischen Flüchtlinge“; Zürich November 1836

Büchner wird ins "Verzeichniss der [...] politischen Flüchtlinge" aufgenommen.

Ende November

LZ 4260 Ludwig Büchner 1850

In einem Brief an den Bruder Wilhelm schreibt Büchner: „Ich sitze am Tage mit dem Scalpell und die Nacht mit dem Büchern.“

Ende November / Anfang Dezember

LZ 4210 Karl Eduard Eichwald: „Tagebuch meiner Reise“; Zürich Ende November 1836Büchner ist zu Gast bei Lorenz Oken und lernt dort den gerade Zürich besuchenden Zoologen Karl Eduard Eichwald, Professor an der Universität Wilna, kennen.

1. Dezember

LZ 4040 Polizeirat Zürich, Protokoll

Der Polizeirat Zürich gewährt Büchner für vorläufig sechs Monate Asyl im Kanton Zürich.

9. Dezember

LZ 4155 Büchners Einschreibung in Wilhelm Schulz’ KollegBüchner trägt sich als Hörer in Wilhelm Schulz' Kolleg "Allgemeine und Vergleichende Staatenkunde" ein. Umgekehrt ist auch Schulz formell Hörer in Büchners Kolleg "Zootomische Demonstrationen". 

18. Dezember

Georgs Vater Ernst Büchner schreibt einen versöhnlichen Brief mit den einleitenden Worten:7.4. Burghard Dedner: Vater-Sohn-Konflikte I

„Es ist schon lange her daß ich nicht persönlich an dich geschrieben habe. Um dich einigermaßen dafür zu entschädigen, soll dir das Christkindlein diese Zeilen bescheeren und ich zweifele nicht daran, daß sie dir eine angenehme Erscheinung seyn werden. Meine Besorgniß um dein künftiges Wohl war bisher noch zu groß und mein Gemüth war noch zu tief erschüttert, durch die Unannehmlichkeiten alle, welche du uns durch dein unvorsichtiges Verhalten bereitet und gar viele trübe Stunden verursacht hast, als daß ich mich hätte entschließen können, in herzliche Relation mit dir zu treten; wobei ich jedoch nicht ermangelt habe, dir pünctlich die nöthigen Geldmitteln, bis zu der dir bekannten Summe, welche ich zu deiner Ausbildung für hinreichend erachtete, zufließen zu laßen. –“ 18. Dezember 1836. Von Ernst Büchner nach Zürich

Ernst Büchner schenkt seinem Sohn unter anderem Moritz Ignaz Webers Anatomischen Atlas des Menschlichen Körpers […], welcher Georg „schon genau bekannt“ sei. Zeitleiste Winter 1834/35Büchner hatte damit vermutlich im Winter 1834/35 gearbeitet.

1837

13. Januar

Büchner schreibt an Wilhelmine Jaeglé in Straßburg, er

„zähle die Wochen bis zu Ostern an den Fingern. Es wird immer öder. So im Anfange ging’s: neue Umgebungen, Menschen, Verhältnisse, Beschäftigungen – aber jetzt, da ich an Alles gewöhnt bin, Alles mit Regelmäßigkeit vor sich geht, man vergißt sich nicht mehr. Das Beste ist, meine Phantasie ist thätig, und die mechanische Beschäftigung des Präparirens läßt ihr Raum. Ich sehe dich immer so halb durch zwischen Fischschwänzen, Froschzehen etc. Ist das nicht rührender, als die Geschichte von Abälard, wie sich ihm Heloise immer zwischen die Lippen und das Gebet drängt? O, ich werde jeden Tag poetischer, alle meine Gedanken schwimmen in Spiritus. Gott sei Dank, ich träume wieder viel Nachts, mein Schlaf ist nicht mehr so schwer.“ 13. Januar 1837. An Wilhelmine Jaeglé in Straßburg

20. Januar

Wieder an Minna Jaeglé schreibt Büchner:

„Ich habe mich verkältet und im Bett gelegen. Aber jetzt ist’s besser. Wenn man so ein wenig unwohl ist, hat man ein so groß Gelüsten nach Faulheit; aber das Mühlrad dreht sich als fort ohne Rast und Ruh....“ 20. Januar 1837. An Wilhelmine Jaeglé in Straßburg

Weiter schreibt er von seiner „Freude am Schaffen meiner poetischen Produkte“.

LZ 4260 Ludwig Büchner 1850 In diese Zeit fällt auch ein von Ludwig Büchner erwähnter (nicht erhaltener) Brief Georg Büchners an seine Verlobte, in dem er von dem Plan spricht, „in längstens acht Tagen Leonce und Lena mit noch zwei anderen Dramen erscheinen [zu] lassen“. Um was es sich bei dem neben Woyzeck genannten Drama handelt, ist unklar. Wilhelmine Jaeglé glaubt später, sich an ein geplantes Stück über den Renaissance-Dichter Pietro Aretino zu erinnern. Von einem solchen ließ sich jedoch trotz intensiven Suchens keine Spur finden. (Vgl. Marburger Büchner Ausgabe VI, 217 f.).

LZ 4020 Büchner: Notizen; Zürich 23.-25. Januar 1837Aus dieser Zeit stammen außerdem Notizen Büchners auf einer "Inscriptionsliste" der Universität Zürich. Auf der Vorderseite notierte Büchner den Ausspruch des Gärtners Antonio aus Beaumarchais' Lustspiel Le mariage de Figaro: "Boire sans soif et faire l’amour en tout temps, il n’y a que ça qui nous distingue des autres bêtes." ("Ohne Durst zu trinken und jederzeit miteinander zu schlafen, das ist das einzige, was uns von anderen Tieren unterscheidet.") Auf der Rückseite notierte Büchner "N. 158. Hottingen", die Adresse des Hauses, in dem ein Zimmer zur Miete angeboten wurde. Die heutige Adresse wäre Platz: Wolfbachstr. 29 (mit anderer Bebauung). LZ 4010 Zimmerangebot Offenbar hatte er die Adresse gerade in einer Zeitungsannonce gelesen. 

26. Januar

Büchner mietet das annoncierte Zimmer. Vermieter ist Martin Krattiger (vgl. Hauschild 1993, S. 585).

27. Januar

Auf einen Brief von Minna Jaeglé, die wegen seiner Erkrankung ernsthaft besorgt ist, antwortet Büchner beruhigend:

„Mein lieb Kind, Du bist voll zärtlicher Besorgniß und willst krank werden vor Angst; ich glaube gar, Du stirbst – aber ich habe keine Lust zum Sterben und bin gesund wie je. Ich glaube, die Furcht vor der Pflege hier hat mich gesund gemacht.“ 27. Januar 1837. An Wilhelmine Jaeglé in Straßburg

Außerdem berichtet er von seiner Absicht, „in einem prächtigen Hause“ außerhalb der Stadt in Nähe des Zürichsees ein neues Quartier zu beziehen:

„Das Haus steht nicht weit vom See, vor meinen Fenstern die Wasserfläche und von allen Seiten die Alpen, wie sonnenglänzendes Gewölk.“

Außerdem bringt Büchner erneut seine Sehnsucht nach der Verlobten zum Ausdruck, wenn er schreibt:

„Du kommst bald? mit dem Jugendmuth ist’s fort, ich bekomme sonst graue Haare, ich muß mich bald wieder an Deiner inneren Glückseligkeit stärken und Deiner göttlichen Unbefangenheit und Deinem lieben Leichtsinn und all Deinen bösen Eigenschaften, böses Mädchen. Adio piccol[a] mia!“

Mitte bis Ende Januar

LZ 4170 Universität Zürich, Plan der Vorlesungen

Büchner meldet das Thema seiner Lehrveranstaltung im Sommersemester an.  Er wird über „Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere“ lesen. Privatdozent in Zürich 1836/37

2. Februar

LZ 4270 Caroline Schulz 1837

Büchner schlägt einen längeren Spaziergang mit Caroline und Wilhelm Schulz aus, weil er „sich nicht ganz wohl fühle. Als wir gegen Abend nach Hause kamen, klagte er, daß es ihm fieberisch zu Muthe sey“, schreibt Caroline Schulz in ihrem detaillierten Bericht über Georg Büchners Typhus-Erkrankung, die von diesem Tag an ihren tödlichen Verlauf nimmt.

Vermutlich auf der Grundlage eines Tagebuchs verfasst Caroline Schulz, die Georg Büchner vom Ausbruch der Krankheit am 2. Februar bis zu seinem Tod am 21. Februar gepflegt und also den Krankheitsverlauf aus unmittelbarer Nähe verfolgt hat, einen Kankenbericht, den sie wohl der Familie in Darmstadt übersandte und der sich heute im Weimarer Büchner-Nachlass findet. In dem Bericht werden die Etappen von Georg Büchners Krankheit und Sterben genau beschrieben.

3. Februar

Nach schlechtem Schlaf ist Büchner tagsüber bettlägerig, gleichwohl ohne Schmerzen.

4. Februar

Das „ Fieber etwas stärker“. An diesem Tag bleibt der Gießener Flüchtling Carl Schmidt, Büchners "liebster Freund" (Caroline Schulz), tagsüber in Büchners Zimmer.

5. Februar

Büchner klagt „über Schlaflosigkeit“. Obgleich er „sehr geduldig und ruhig“ ist, hat „er es nicht gerne, wenn man laut sprach“.

6. Februar

Büchner ist empfindlich und reizbar. „Es zeigte sich nach und nach eine große Empfindlichkeit bei ihm; man konnte ihm nicht leicht etwas recht machen, was seine Freunde oft nicht begreifen konnten.“

7. Februar

Emilie Sell, die Frau des aus Darmstadt stammenden Juraprofessors Wilhelm Sell, schickt Suppe, die Büchner zu sich nimmt. Wilhelm Braubach, den Büchner „auch sehr gerne hatte“, hält die Krankenwache, da das Ehepaar Schulz den Fastnachtsabend bei Sells verbringt.

8. Februar

An diesem Tag hat Büchner „nur sehr wenig Fieber u. er wollte, da Briefe von seiner Braut angekommen waren, an dieselbe schreiben“, was er jedoch dann unterlässt, ebenso wie die Lektüre der Briefe Minnas, die „sehr fein geschrieben waren“.

9. Februar

Büchner hat „fast gar kein Fieber“, leidet aber unter fortgesetzter Schlaflosigkeit.

10. Februar

Im Zuge einer kurzzeitigen Besserung des Befindens verlässt Büchner das Bett und versucht erneut, an Minna Jaeglé zu schreiben. Unter den schließlich an seiner Stelle von Caroline Schulz verfassten Brief setzt Büchner die Worte: „Adieu mein Kind“, „ließ mich eine seiner Locken hinein legen u. eilte schnell zu Bett, nach welchem er sehr verlangte“. Caroline Schulz äußert die Befürchtung, dass dieser Zusatz von Minna Jaeglé als „Abschiedsworte“ verstanden werden könnten. „Dieß beunruhigte mich sehr u. ich hatte einen traurigen Abend.“ Von jetzt ab halten Wilhelm Schulz und Büchners "anderen Freunde" nächtlich die Krankenwacht in Büchners Zimmer.

11. Februar

Büchner „hatte viel Schleim im Halse und mußte oft auswerfen“. Zudem macht sich „eine Art Unempfindlichkeit (Apathie)“ bemerkbar, und Büchner fällt „das Sprechen schwer“. Einige Äußerungen deuten für Caroline Schulz zudem darauf hin, „daß sein Geist nicht ganz helle war“, was – neben dem spezifischen Symptom einer Bronchitis und evtl. katarrhalischen Pneumonie – auf das Einsetzen von für Typhusinfektionen charakteristischen neurologischen Symptomen hinweisen dürfte. Den Vorschlag von Caroline und Wilhelm Schulz, Johann Lukas Schönlein als Arzt heranzuziehen, lehnt Büchner ab.

12. Februar

Büchner erklärt sich bereit, Schönlein rufen zu lassen. Da dieser auf Reisen ist, wird er von seinem Assistenten vertreten, der sich mit den bis dahin von Büchners Hauswirt Dr. Hans Ulrich Zehnder verordneten Mitteln für „ganz einverstanden erklärt.“

13. Februar

Büchner klagt über Benommenheit und Kopfschwere.

14. Februar

Während eines Besuchs der Ärzte Hans Ulrich Zehnder und Johann Lukas Schönlein, der, von seiner Reise zurückgekehrt, die bisherige Medikation gut heißt, bekommt Büchner hohes Fieber, gegen Abend dann einen (schon an früheren Tagen bemerkbar gewesenen) Anfall von Zittern, „wobei er ganz irre sprach“. Die Delirien, in denen mehrfach die Vorstellung eine Rolle spielt, „daß er wähnte ausgeliefert zu werden“, dauern an. Auch spricht Büchner wiederholt in französischer Sprache zu seiner (abwesenden) Verlobten Minna Jaeglé. 

LZ 4460 und LZ 4470 Rechnungen für Büchners Mémoire Der Druck des 2. Bandes 2. Lieferung der Mémoires de la société du Muséum d’histoire naturelle de Strasbourg, der neben Beiträgen der Autoren Steinheil, Fée und Duvernoy  auch Büchners Mémoire enthält, steht vor dem Abschluss. Die Lithographierwerkstatt und die Druckerei reichen deshalb Rechnungen bei der »Société du Muséum d’histoire naturelle« ein, die auch die Kosten für Büchners Mémoire betreffen. Insgesamt belaufen sich die Kosten hierfür auf 337,75 frs.

15. Februar

Nach anfänglich ruhigem Zustand erneute Delirien und Auslieferungsphantasien. Mittags stellt Dr. Schönlein aufgrund des Stuhls, „der ganz schwarz war u. aus dickem Blut bestand“, die Diagnose: „alles paßt zusammen; es ist das Faulfieber und die Gefahr ist sehr groß.“ Caroline Schulz benachrichtigt Minna Jaeglé in Straßburg.

16. Februar

Unruhige Nacht mit Delirien; „der Kranke wollte mehreremale fort, weil er wähnte in Gefangenschaft zu gerathen, oder schon darin zu seyn glaubte u. sich ihr entziehen wollte“. Hinzu kommen Herzrasen (Tachykardie) mit einem Puls von 160 Schlägen in der Minute. „Die Ärzte gaben die Hoffnung auf.“ Wilhelm Schulz teilt seiner „fromme[n]“, jetzt aber „verzweiflungsvollen“ Frau mit, Büchner habe „soeben, nachdem ein heftiger Sturm von Phantasiren vorüber war, mit ruhiger, erhobener, feierlicher Stimme die Worte gesprochen: ‚Wir haben der Schmerzen nicht zu viel, wir haben ihrer zu wenig, denn durch den Schmerz gehen wir zu Gott ein!‘ ‚Wir sind Tod, Staub, Asche, wie dürften wir klagen!‘“

17. Februar

„In der Nacht phantasirte der Kranke von seinen Eltern und Geschwistern in den rührendsten Ausdrücken. Er sprach fast immerwährend. Schönlein wunderte sich, ihn am Morgen noch lebend zu finden“, heißt es bei Caroline Schulz. Am Vormittag trifft Wilhelmine Jaeglé aus Straßburg ein, Büchner scheint sie zu erkennen. Weitere Delirien.

18. Februar

Vorübergehende Besserung und teilweise bei klarerem Bewusstsein; Büchner „ließ sich den Mund reinigen, nahm aus M[inna]s Händen ein wenig Wein u Confitür, aß Mittags etwas Suppe, nannte mehrere seiner Freunde mit Namen, auch der Puls hob sich ein wenig“. Der Abend bringt „von neuem üble Symptome“, die Nacht ist „ruhig, da die Schwäche zunahm; doch sprach der Kranke immer fort.“ - LZ 4390 Brief von Baum an Boeckel, 20. Februar 1837Wilhelmine Jaeglé schickt einen Brief mit Mitteilungen über Büchners Befinden nach Straßburg. Büchners Freund Johann Wilhelm Baum referiert den Inhalt des Briefes in seinem (überlieferten) Schreiben an Eugen Boeckel vom 20. Februar.

19. Februar

„Der Athem wurde schwerer, die Schwäche größer, der Tod mußte nahe seyn“, schreibt Caroline Schulz. Nachmittags gegen halb 4 Uhr stirbt Georg Büchner. Friedhof Krautgarten

21. Februar

Nachmittags um 4 Uhr wird Georg Büchner auf dem nahe der Spiegelgasse gelegenen Friedhof „Krautgarten“ bestattet.

„[M]ehrere hundert Personen“, darunter „die beiden Bürgermeister u. andere der angesehensten Einwohner der Stadt“, sind zugegen. „Die Theilnahme der ganzen Stadt war groß“ ­ LZ 4310 Anzeige der Beerdigung

Eine „Anzeige der Beerdigung“ erscheint im Tagblatt der Stadt Zürich. LZ 4360 Schweizerischer Republikaner, Todesanzeige

Eine Todesanzeige zum „politischen Flüchtling“ Büchner erscheint im Schweizerischen Republikaner, LZ 4380 Zürcherisches Wochenblatt. Todesnachrichteine weitere im Zürcherischen Wochenblatt

Erhalten haben sich auch die kirchlichen Eintragungen im Totenbuch LZ 4320 Eintrag im Totenbuch und LZ 4330 Pfarramtliche Tabellen

22. und 25. Februar

Todesanzeige der Eltern in der Großherzoglich Hessischen Zeitung zu ihrem „innigst geliebte[n] Sohn Georg“. LZ 4370 Todesanzeige der Eltern

Aus derselben Zeit stammt die von Wilhelmine Jaeglé verschickte Benachrichtigungskarte. LZ 4420 Wilhelmine Jaeglé, Benachrichtigungskarte

LZ 4400, LZ 4410 und LZ 4485 Briefe zu Büchners Tod Aus dieser Zeit stammen außerdem verschiedene briefliche Mitteilungen von Büchners Freunden im Umkreis der "Eugenia", so von Johann Wilhelm Hoffmann, von Adolphe Schwebel und von August Stöber im Brief an Gustav Schwab. LZ 4490 Wilhelm Baum: Brief an Eugen Boeckel; Zürich 1. Oktober 1837Im Oktober 1837 berichtete Wilhelm Baum von einem Besuch bei Büchners Grab im Züricher Friedhof "Krautgarten".

23. Februar

Tod Friedrich Ludwig Weidigs im Arresthaus in Darmstadt (vermutlich durch Selbstmord).

25. Februar

Die Todesanzeige Weidigs in der Großherzoglich Hessischen Zeitung dieses Datums lautet:

„Der wegen beschuldigten Hochverraths hier in Untersuchung und Verhaft befindliche Pfarrer Weidig aus Obergleen ward am 23. d. Morgens um 7½ Uhr von dem Gefangenwärter in seinem Blute schwimmend und in den lezten Zügen liegend gefunden. Er hatte sich vermittelst der Scherben einer zerschlagenen Wasserflasche an beiden Füßen über den Knöcheln, an beiden Armen über dem Handgelenke die Arterien und über dem Kehlkopfe die Gurgel durchschnitten und sich auf diese Weise selbst entleibt.“

28. Februar

Seinen Nekrolog auf Georg Büchner in der Zeitung Schweizerischer Republikaner, der im Folgenden auch in den Literarischen und Kritischen Blättern der Börsen-Halle (24. Mai) und im Neuen Nekrolog der Deutschen (15. Jg., Tl. 1, 1837) erscheint, eröffnet Wilhelm Schulz mit den Worten: LZ 4560 Wilhelm Schulz, Nekrolog

„Im Verlaufe weniger Tage hat der Tod zwei ausgezeichnete deutsche Männer den Reihen ihrer trauernden Landsleute und der Genossen ihres Schicksals entrissen. Am 15. Februar wurde Ludwig Börne zu Paris, am 21. Februar Georg Büchner zu Zürich beerdigt. Beide ruhen in fremdem Lande, denn Beiden hatte sich das Vaterland verschlossen. Wenn Börne im heiligen Kampfe für Licht und Recht ein lang erprobter Streiter war, der mit steter Ausdauer die scharfen Geisteswaffen gegen Unterdrückung und Knechtschaft, gegen Heuchelei und Lüge gerichtet hatte; so begrüßten Alle, welche G. Büchner näher kannten, in diesem die frische Jugendkraft, der eine weite Bahn des Ruhms und der Ehre offen lag. Große Hoffnungen ruhten auf ihm, und so reich war er mit Gaben ausgestattet, daß er selbst die kühnsten Erwartungen übertroffen haben würde.“

In seiner 1843 erscheinenden Untersuchung Der Tod des Pfarrers Dr. Friedrich Ludwig Weidig. Ein aktenmäßiger und urkundlich belegter Beitrag zur Beurteilung des geheimen Strafprozesses und der politischen Zustände Deutschlands (1843) bringt Schulz Büchners Exil, Delirium und Tod nochmals unmittelbar mit den politischen Zuständen in Deutschland, namentlich der geheimen Justiz, in Verbindung, deren Qualen Ludwig Weidig nur wenige Tage nach Büchners Tod im Exil zum Opfer gefallen war:

„Die unbestimmten Schrecken der geheimen Inquisition quälten selbst Diejenigen in ihren Träumen und Gedanken, die der politischen Verfolgung glücklich entgangen waren. Der geniale Georg Büchner, der Schöpfer von „Danton’s Tod“, […], hatte sich durch die Flucht in’s Ausland gerettet. Aber der bittere Gedanke an die Leiden seiner gefangenen Freunde in der Heimath mischte sich in das geistreiche Spiel seiner Scherze, und der giftige Stachel eines immer sich erneuernden Schmerzes warf ihn auf sein frühzeitiges Todesbette. Noch in den letzten Stunden traten ihm die Schauder der Inquisition in den Gebilden des Fiebers sichtlich vor Augen, und wie vor seiner Krankheit, so sprach auch der Sterbende noch in bitter wahren Worten über die verwerfliche Behandlung der politischen Schlachtopfer, die nach gesetzlichen Formen und mit dem Anschein der Milde in Jahre langer Untersuchungshaft gehalten werden, bis ihr Geist zum Wahnsinne getrieben und ihr Körper zu Tode gequält ist. „In jener französischen Revolution“, so rief er aus, „die wegen ihrer Grausamkeit so verrufen ist, war man milder als jetzt. Man schlug seinen Gegner die Köpfe ab. Gut! Aber man ließ sie nicht Jahre lang hinschmachten und hinsterben.“ Dies sind die verdammenden Worte eines sterbenden deutschen Dichters über die Schande der geheimen deutschen Justiz.“

1. März 1838

die »Société du Muséum d’histoire naturelle de Strasbourg« vermerkt den Tod ihres Mitglieds Georg Büchner und beschließt auf Antrag von Antoine Fée, dem Autor eine biographische Notiz zu widmen, und zwar »à la suite du mémoire de l’auteur, si toutefois il en est encore temps«, also »im Anschluß an die Abhandlung des Autors, wenn dafür noch die Zeit reicht« (AM Soc. d’hist. nat. fol. 96r; Hauschild 1985, 378).

8. April 1837

Das Pariser »registre du dépôt des livres« verzeichnet den Eingang eines Belegexemplars des 2. Bandes 2. Lieferung der »Mémoires de la Société du Muséum d’histoire naturelle de Strasbourg« (vgl. Hauschild 1985, 372 f.).

26. Juni 1875

Burschenschafter der „Gesellschaft deutscher Studierender“ überführen Büchners Leichnam auf den „Germania-Hügel“ am Zürichberg (heute Kratzenturmstraße) und setzen den noch heute erhaltenen Grabstein. Büchners Grab- und Gedenkstein

4. Juli

Gedenkfeier für Georg Büchner im Beisein der Geschwister Wilhelm, Ludwig und Luise Büchner.

 

Text: Maximiliane Jäger-Gogoll / Burghard Dedner (Juni 2014); zuletzt bearbeitet: November 2017