5.5. Burghard Dedner:
Kampagne gegen das "Junge Deutschland"

In dem Brief vom 28. Juli 1835, in dem er sich gegenüber den Eltern zu Danton’s Tod äußerte, schrieb Georg Büchner gegen Anfang:

„Gutzkow’s glänzende Kritiken habe ich gelesen und zu meiner Freude dabei bemerkt, daß ich keine Anlagen zur Eitelkeit habe.“

Und am Ende heißt es:

„Daß übrigens noch die ungünstigsten Kritiken erscheinen werden, versteht sich von selbst; denn die Regierungen müssen doch durch ihre bezahlten Schreiber beweisen lassen, daß ihre Gegner Dummköpfe oder unsittliche Menschen sind.“28. Juli 1835. An die Eltern in Darmstadt

Tatsächlich waren „Gutzkows glänzende Kritiken“ und „die ungünstigsten Kritiken“ der „bezahlten Schreiber“ aufs Engste miteinander verknüpft. Der Streit um Büchners Drama war Teil eines Streites über die künftige Entwicklung der deutschen Literatur und Kultur, der im Jahre 1835 kulminierte und als „Kampagne gegen das Junge Deutschland“ bekannt geworden ist. Der führende Kopf in dieser Kampagne war Wolfgang Menzel, Opfer der Kampagne waren die jungdeutschen Literaten, vor allem aber Karl Gutzkow. Georg Büchner als Autor von Danton's Tod war am Rande davon betroffen.

Büchner und die Jungdeutschen vor Beginn der Kampagne

Zentrale Punkte in dem jungdeutschen Programm, die später in der Kampagne vor allem angegriffen wurden, waren die „Emanzipation des Fleisches" oder auch die „Reformation der Liebe" (Gutzkow) - praktisch also Toleranz gegenüber vor- und außerehelicher Sexualität - sowie eine Schwächung der christlichen Kirchen und damit auch die Schwächung des Bündnisses von Thron und Altar, auf dem das bestehende politische System beruhte.  Wichtige Zeugnisse dieser im weiteren Sinne jungdeutschen  Offensive waren Heinrich Heines Abhandlung Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland (in: Heine, Der Salon. Zweiter Band, deutscher Erstdruck Februar 1835), der Roman Madonna von Theodor Mundt (Frühjahr 1835) und Gutzkows Vorrede zu Schleiermachers Vertraute Briefe über die Lucinde (April 1835) sowie sein Roman Wally, die Zweiflerin (August 1835).

Büchner und Heine Heine sagte in seiner Abhandlung das Ende der christlichen und den Beginn einer sensualistischen Ära voraus. Einleitung zu Danton’s Tod  Bei der Niederschrift von Danton’s Tod näherte sich Büchner der literarischen Gruppe der Jungdeutschen insofern, als er Teile von Heines sensualistischem Programm in die erste Szene seines Dramas Danton’s Tod übernahm und den Dantonisten in den Mund legte. Eine weitere Annäherung vollzog er, indem er sein Drama am 21. Februar 1835 Karl Gutzkow zum Abdruck anbot. 21. Februar 1835. An Karl Gutzkow in Frankfurt am Main

Der 1811 in Berlin geborene Karl Gutzkow hatte seine berufliche Karriere 1831 als Mitarbeiter bei seinem späteren Gegner Wolfgang Menzel begonnen. Ihm missfiel die häufig pietistisch geprägte kulturelle Atmosphäre in den deutschen Residenzstädten, wie z. B. in Stuttgart,  und so wechselte er im Januar 1835 in die Bürgerstadt Frankfurt und übernahm die Redaktion des Literatur-Blattes im neu gegründeten  Phönix. Frühlings-Zeitung für Deutschland, einem Produkt des Frankfurter Verlegers Johann David Sauerländer. Gutzkow versuchte im Frühjahr und Sommer 1835 Frankfurt am Main zur Literaturzentrale in Deutschland zu erheben. Er knüpfte Kontakte zu vielen jüngeren Literaten und gründete im Spätsommer zusammen mit dem jungdeutschen Schriftsteller Ludolf Wienbarg die Deutsche Revue, die ab Dezember 1835 in der Löwenthalschen Verlagsbuchhandlung in Mannheim erscheinen und nach dem Muster der Pariser Revue des deux mondes die tonangebende Literatur-Zeitschrift in Deutschland werden sollte.

Büchner und GutzkowDas Drama Danton’s Tod faszinierte Gutzkow auch deshalb, weil er in Büchner einen wichtigen Gewinn für die Sache des "Jungen  Deutschland" und für sein groß angelegtes Projekt eines Zusammenschlusses der oppositionellen Literaten erblickte. Er umwarb deshalb Büchner bereits im Frühjahr 1835, zunächst um ihn als Beiträger für sein Literatur-Blatt zu gewinnen.7. April 1835. Von Karl Gutzkow nach Straßburg WZ 120 Gutzkow zu „Danton’s Tod“ Im Juli nutzte er das Erscheinen von Danton’s Tod, um der Öffentlichkeit den bis dahin gänzlich unbekannten Georg Büchner als "Genie" zu präsentieren. Einleitung zu Lenz Im  Herbst  schließlich suchte er Büchner als Mitarbeiter und Beiträger der geplanten Deutschen Revue zu engagieren. Büchner erklärte sich zur Mitarbeit bereit und sah den seit Mai 1835 ins Auge gefassten Aufsatz über Jakob Lenz als ersten Beitrag zur Deutschen Revue vor. Den Eltern gegenüber verwies er mit sichtlichem Stolz auf seine öffentliche Nennung als Mitarbeiter der Zeitschrift. 2. November 1835. An die Eltern in Darmstadt

Die Kampagne gegen das "Junge Deutschland" ab September 1835, das Publikationsverbot für jungdeutsche Schriftsteller am 14. und die Verhaftung Gutzkows in Mannheim am 30. November setzten diesen Plänen ein Ende. Offen ausgetragen wurde die Kampagne nach der Publikation von Wally, die Zweiflerin und nach Vorankündigungen der Deutschen Revue im September. Diese führten zu feindseligen Reaktionen Wolfgang Menzels, der sich in seiner Stellung als führender deutscher Kritiker bedroht sah.

Der Verlauf der Kampagne

Dass die Jungdeutschen mit polizeilichen Repressalien zu rechnen hätten, hatte sich schon früh angekündigt. Der jungdeutsche Literat Heinrich Laube, der im September 1834 in Berlin wegen lange zurückliegender Mitgliedschaft in der Burschenschaft inhaftiert worden war, wurde im April 1835 zwar aus der Untersuchungshaft befreit, jedoch mit der Auflage, bis zur Verkündung des Urteils den Wohnort nicht zu verlassen. Karl Gutzkow, der durch seine alsbald verbotene Schleiermacher-Veröffentlichung die preußische Regierung gegen sich aufgebracht hatte, verzichtete in dieser Situation aus gutem Grund auf eine schon lange geplante Reise nach Berlin. Im Mai wurde der Roman Madonna des jungdeutschen Schriftstellers Theodor Mundt verboten und das für Mundt bereits laufende Habilitationsverfahren unterbrochen.

Die ersten Schritte zur Kampagne gingen von den preußischen Behörden aus. Ihnen schlossen sich die protestantische Geistlichkeit (Hengstenberg) und der ehemals oppositionelle Literaturkritiker Wolfgang Menzel an.

Der 1798 geborene Wolfgang Menzel hatte am Krieg gegen Napoleon teilgenommen und wurde 1818/19 Mitglied der Burschenschaft. Er war ein Freund des Kotzebue-Attentäters Karl Ludwig Sand, aber auch Heinrich Heines. Als Burschenschafter verfolgt, ging er 1820 ins Schweizer Exil.  Nach seiner Rückkehr wurde er 1825 Redakteur und Hauptautor des Literatur-Blattes zu Cottas Morgenblatt für gebildete Stände, das von 1807 bis 1865 in der Cotta'schen Verlagsbuchhandlung erschien und um 1830 als führendes Literaturorgan in Deutschland galt. Durch die geplante Deutsche Revue sah sich Menzel in seiner Stellung als Literaturkritiker unmittelbar bedroht.

Waren Konkurrenzsorgen demnach ein unmittelbarer Auslöser der Kampagne, so lag deren wichtigerer Grund in den kulturpolitischen Differenzen zwischen Menzel und anderen etablierten Literaten einerseits, der Gruppe um Gutzkow andererseits.

Wie manche frühe Burschenschafter war Menzel ursprünglich für einen christlich geprägten deutschen Nationalstaat eingetreten. Damit hatte er in Opposition zum kleinstaatlich geprägten System der Restauration gestanden. Da er andererseits dezidiert antifranzösisch und antijüdisch eingestellt war und in Fragen der allgemeinen und speziell der sexuellen Moral strikte puristische Positionen vertrat, erschienen ihm die von Heine und Gutzkow vertretenen Programme als eine Besudelung deutscher Reinheit. Gegen deren Angriffe auf Religion und Moral rief  er ebenjene Polizeibehörden herbei, vor denen er wenige Jahre zuvor noch selbst hatte fliehen müssen. Heinrich Heine versah wenig später den dritten Band des Salon mit einer Wolfgang Menzel gewidmeten Vorrede mit dem Titel Über den Denunzianten, und diese Bezeichnung hat sich für Menzel eingeprägt.

Folgender Überblick zeigt den Fortgang der Kampagne und Büchners Teilhaberschaft am "Jungen Deutschland".

1835

April
Karl Gutzkow veröffentlicht Schleiermachers Vertraute Briefe über die Lucinde (Hamburg: Hoffmann und Campe 1835). Er nutzt dabei die Feierlichkeiten zum Tod des bekannten Berliner Theologen Friedrich Schleiermacher, um dessen inzwischen totgeschwiegene Jugendschrift wieder bekannt zu machen. In ihr hatte Schleiermacher Friedrich Schlegels frühromantischen Skandalroman Lucinde, dessen nur schwach fiktionalisierte Figuren unter anderem die "freie Liebe" praktizieren, gegen Kritiker verteidigt. In einer auf Januar 1835 datierten "Vorrede" demonstrierte Gutzkow die für ihn typische Form der Kritik an Sexual- und Religionsnormen. Er schrieb, er glaube "an die Reformation der Liebe, wie an jede soziale Frage des Jahrhunderts" (S. XVII), und endete mit dem Satz: "Ach! hätte auch die Welt nie von Gott gewußt, sie würde glücklicher seyn!" (S. XXXVIII.) Das Buch wird bald danach in Preußen verboten.

14. April
Der jungdeutsche Literat Heinrich Laube, der im Vorjahr wegen seiner länger zurückliegenden Mitgliedschaft in einer Burschenschaft verhaftet wurde, wird nach achtmonatiger Untersuchungshaft aus dem Gefängnis entlassen mit der Auflage, bis zur Verkündung des Urteils den Wohnort nicht zu verlassen.

12. Mai
Gutzkow teilt Büchner mit, dass er es vorziehe, in Grenznähe in Mannheim zu bleiben. Die eigentlich geplante Reise nach Berlin sei "mit Gefahren verknüpft". "Durch eine Vorrede zu Schleiermachers Briefen über Schlegels Luzinde hab’ ich die Geistlichkeit u den Hof gegen mich empört: ich fürchte ein Autodafé u halte mich am Rheingeländer, das bald übersprungen ist." 12. Mai 1835. Von Karl Gutzkow nach Straßburg

Ende Mai
Der Roman Madonna des jungdeutschen Literaten Theodor Mundt wird verboten.

Juli
Theodor Mundts Habilitationsverfahren wird an der Berliner Universität ausgesetzt.

23. Juli
Gutzkow teilt Büchner mit, er habe "in der Hast von 3 Wochen (schnelle Arbeiten sind die besten) einen Roman geschrieben: Wally, die Zweiflerin." Auch sei seine Rezension des Dramas Danton's Tod "von der Censur verstümmelt" worden. 23. Juli 1835. Von Karl Gutzkow nach Straßburg

24. Juli
Die neu gegründete C. Löwenthalsche Verlagshandlung in Mannheim präsentiert sich in der Öffentlichkeit als Verlag der jungdeutschen Literaten. Sie annonciert das Erscheinen von Werken wie Gutzkows Wally, die Zweiflerin, Ludolf Wienbargs Zur neuesten Literatur, Heinrich Laubes Moderne Charakteristiken und Ludwig Bechsteins Die Apriltage.

12. August
Gutzkows Roman Wally, die Zweiflerin (Mannheim: C Löwenthals Verlagshandlung) wird publiziert.

28. August
Gutzkow schreibt an Büchner, er wolle "noch vor dem neuen Jahre" gemeinsam mit Wienbarg die Zeitschrift Deutsche Revue herausbringen, und zwar "wöchentlich ein Heft". Er verlasse sich "bei diesem Unternehmen ernstlich" auf Büchners Mitarbeit. 28. August 1835. Von Karl Gutzkow nach Straßburg

29. August
Die Neue Speyerer Zeitung berichtet, dass die Löwenthalsche Verlagshandlung, eine "neue jüdische Firma", Gutzkows Wally verlege, also mit einem "frevelhaften, frivolseichten Produkte sich im bis jetzt noch ziemlich christlich-deutschen Buchhandel" hervortue.

5. September
Um die "Ehre unseres deutschen Buchhandels" zu retten, weist das Allgemeine Buchhändler-Börsenblatt darauf hin, dass die "Löwenthal'sche Verlagsbuchhandlung" dem Vernehmen nach "von jüdischer Abkunft" sei und sich offenbar "bemühe, reelle geniale Produkte ihrer Glaubensbrüder" zu veröffentlichen. Das zeige sich an der Publikation des Romans Wally, die Zweiflerin des "schon berüchtigt gewordenen H. Gutzkow".
WZ 250 Karl Baur zu „Danton’s Tod“ Büchners ehemaliger Deutschlehrer am Darmstädter „Pädagog“, Karl Baur, veröffentlicht im Frankfurter Konversationsblatt ein Gedicht mit dem Titel Rezept aus der neuesten ästhetischen Küche, in dem er sich abfällig-kritisch zu den jüngsten Entwicklungen in der deutschen Literatur äußert. Das Gedicht enthält deutliche Anspielungen auf Büchners Drama Danton’s Tod.

11. September
Wolfgang Menzel nutzt die Gelegenheit einer Rezension von Karl Gutzkows Roman Wally, die Zweiflerin zur Generalattacke auf die geplante Deutsche Revue und auf das "Junge Deutschland", eine "Schule der frechsten Unsittlichkeit und raffinirtesten Lüge". Er schließt mit einem Zitat des alttestamentlichen Propheten Jeremia (24,9): "Ich will ihnen wehe thun, daß sie sollen zu Schanden werden, zum Sprichwort, zur Fabel, zum Fluch an allen Orten." In derselben Zeitung, dem Literatur-Blatt zum Morgenblatt für gebildete Stände, folgen am 28. September und 19. Oktober 1835 die Zweite und die Dritte Abfertigung des Dr. Gutzkow.

13. September
Gutzkow antwortet auf Menzels Attacke öffentlich unter anderen mit den Worten: "Ich werde mich nicht irre machen lassen, und meine kritische und poetische Stellung nach wie vor behaupten".

20. September
Georg Büchner teilt seinen Eltern mit, dass er an der Deutschen Revue mitarbeiten werde. Die Aufforderung zu "monatlichen Beiträgen", die ihm "ein regelmäßiges Einkommen" hätten sichern können, habe er [s]einer Studien halber [...] abgelehnt. Vielleicht, daß Ende des Jahres noch etwas von mir erscheint." 20. Septemer 1835. An die Eltern in Darmstadt

24. September
Wally, die Zweiflerin wird in Preußen verboten.

28. September
Gutzkow fordert Büchner auf, in der Deutschen Revue mit "Erinnerungen an Lenz" zu debütieren. Die erste Nummer der Zeitschrift solle im Dezember erscheinen. Er berichtet von Menzels "elendem Angriffe auf meine Person", die er mit einer Duellforderung habe beantworten müssen. Da Menzel abgelehnt habe, werde es jetzt zu einer publizistischen Auseinandersetzung kommen. 28. September 1835. Von Karl Gutzkow nach Straßburg

Oktober
Büchner teilt seinen Eltern mit, er plane über Lenz "einen Aufsatz in der deutschen Revue erscheinen zu lassen." Oktober 1835. An die Eltern in Darmstadt

21. Oktober
In der Evangelischen Kirchenzeitung bezeichnet der Berliner Theologe Ernst Wilhelm Hengstenberg Gutzkow als "antichristlichen Rehabilitator", der das "freiwechselnde Conkubinat" einführen wolle.

Karl Gutzkow, Erklärung 26. Oktober
Gutzkow und Wienbarg veröffentlichen eine Liste der Mitarbeiter der Deutschen Revue.

27. Oktober
In einer am 7. November publizierten Meldung erklärt der Philosophieprofessor Hermann Ulrici (Halle), er habe sich nie "förmlich zum Mitarbeiter an der 'deutschen Revue' engagiren lassen." Ähnliche Widerrufserklärungen publizieren in den nächsten zwei Monaten K. A. Varnhagen von Ense (16. November), Eduard Gans (3. Dezember), Heinrich Gustav Hotho (3. Dezember), Karl Rosenkranz (14. Dezember), Heinrich Laube (25. Dezember).

28. Oktober
WZ 300 Felix Frei zu „Danton’s Tod“Im Literarischen Notizenblatt, einer Beilage der Dresdner Abend-Zeitung, erscheint unter dem Pseudonym Felix Frei ein umfangreicher Verriss von Danton’s Tod, der Büchner unter jene Autoren einreiht, deren "Bücher […] jede gute Staatspolizei […] möglichst verhinder[n]“ sollte.

2. November
Büchner teilt seinen Eltern mit: "Neulich hat mein Name in der Allgemeinen Zeitung paradirt." Er werde dort genannt neben Heine, Börne, Mundt und Wilhelm Schulz.  2. November 1835. An die Eltern in Darmstadt

November LZ 3718 Prospekt zur „Deutschen Revue“
Die Verlagsbuchhandlung Carl Löwenthal kündigt die Versendung von 4000 Exemplaren des ersten Heftes der Deutschen Revue an.

14. November
Alle bereits "erschienenen und künftig erscheinenden Schriften" der jungdeutschen Schriftsteller Gutzkow, Wienbarg, Laube und Mundt werden in Preußen verboten. Das betrifft auch die Deutsche Revue sowie ihren Ausweichtitel Deutsche Blätter für Leben, Kunst und Wissenschaft. Im Zusammenhang der Untersuchungen gegen Verfasser und Verleger der Wally untersagen die badischen Behörden dann am 18. November Carl Löwenthal die Weiterführung seiner Buchhandlung.

30. November
Karl Gutzkow wird in Mannheim in Untersuchungshaft genommen. In seinem Büchner-Nachruf schildert er später Büchners besorgtes und solidarisches Verhalten.  LZ 4570 Gutzkow 1837

4. Dezember
Gutzkow teilt Büchner mit, dass er in Mannheim im Gefängnis sitzt. 4. Dezember 1835. Von Karl Gutzkow nach Straßburg

10. Dezember LZ 3719 Beschluss der Deutschen Bundesversammlung
Laut Beschluss der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt verpflichten sich "[s]ämmtliche Deutschen Regierungen [...] gegen die Verfasser, Verleger, Drucker und Verbreiter der Schriften aus der unter der Bezeichnung 'das junge Deutschland' oder 'die junge Literatur' bekannten literarischen Schule, zu welcher namentlich Heinrich Heine, Carl Gutzkow, Heinrich Laube, Ludolph Wienbarg und Theodor Mundt gehören, die Straf- und Polizei-Gesetze ihres Landes so wie die gegen den Mißbrauch der Presse bestehenden Vorschriften nach ihrer vollen Strenge in Anwendung zu bringen".

1836

1. Januar
Auf eine vermutlich von der Mutter gestellte Frage äußert sich  Büchner so: Er habe Hochachtung vor Gutzkow und durchschaue die Motive seiner Gegner: "Gutzkow hat in seiner Sphäre muthig für die Freiheit gekämpft; man muß doch die Wenigen, welche noch aufrecht stehn und zu sprechen wagen, verstummen machen!" Jedoch gehe er aus zwei Gründen mit dem Vorgehen des "sogenannten Jungen Deutschland, der literarischen Partei Gutzkow’s und Heine’s" nicht konform. Er "theile [...] keineswegs ihre Meinung über die Ehe und das Christenthum" und er glaube nicht, "daß durch die Tagesliteratur eine völlige Umgestaltung unserer religiösen und gesellschaftlichen Ideen möglich sei". 1. Januar 1836. An die Eltern in Darmstadt Den zweiten Einwand wiederholt Büchner im Brief an Gutzkow vom 1. Juni 1836, wo er argumentiert, dass das Verhalten der sozialen Klassen  nicht durch Ideen, sondern durch materielle Interessen bestimmt sei: "Sie und Ihre Freunde scheinen mir nicht grade den klügsten Weg gegangen zu sein. Die Gesellschaft mittelst der Idee, von der gebildeten Klasse aus reformiren? Unmöglich! Unsere Zeit ist rein materiell". Etwa 1. Juni 1836. An Karl Gutzkow in Frankfurt am Main

12. Januar
Gutzkow wird wegen „Angriffes auf die christliche Religion“ in seinem Roman Wally, die Zweiflerin zu vier Wochen Haft verurteilt.

Nach Mitte Januar
Büchner lässt einen Brief in Gutzkows Gefängnis schmuggeln. Er zeigt sich über die Lokalität und die Haftbedingungen gut informiert und fragt: "Haben Sie nichts weiter zu fürchten? Geben Sie mir Auskunft so bald, als möglich! Die Frage ist nicht müßig." Nach Mitte Januar 1836. An Karl Gutzkow in Mannheim Anscheinend erwägt er, Gutzkow aus dem Gefängnis befreien zu lassen, wenn dieser es für nötig hält.

10. Februar
Gutzkow wird aus der Haft entlassen und aus Baden abgeschoben. Er kehrt zurück nach Frankfurt und schafft langsam wieder die Grundlagen für eine Existenz als freier Schriftsteller.

Text: Burghard Dedner Juni 2014