HL Dok 3.4.13.
Universitätsrichter Conrad Georgi: Bericht an das Ministerium des Innern und der Justiz in Darmstadt; Gießen 5. August 1834
Heute um 11 Uhr hat sich der Student Georg Büchner aus Darmstadt bey mir sistirt, darnach gefragt, warum in seiner Abwesenheit seine Effecten durchsehen und unter Siegel genommen worden seyen. Ich habe ihm die Ursache in allgemeinen Umrissen angedeutet und ihn über Zweck und Veranlassung seiner mehrtägigen Abwesenheit zum Protocoll genommen. Er gibt an: Freytags, den 1ten d. M. Abends sey er von hier zu Fuße über Butzbach nach Frankfurt gegangen, wohin ihn ein, Deutschland bereisender Straßburger Student, Eugen Bückel, den er von Straßburg her kenne, zu einem Stelldichein eingeladen habe. Er sey Samstags Nachmittag in Frankfurt angekommen, habe seinen Freund getroffen, und dann bey Pfarrer Bekker in der Döngesgasse logirt. Von Frankfurt sey er an demselben Abende um 7 Uhr weg und bis nach Vilbel gegangen, wo er im Gasthause zum Stern (?) logirt habe. Von da sey er am andern Morgen über Wöllstadt, Dorheim, Wisselsheim, Rockenburg, Griedel (also von der Landstraße ab) nach Butzbach gegangen, hier sey er um 10 Uhr Abends angekommen und die Nacht über bey einem jungen Bürger namens Zeuner geblieben, den er vor mehreren Monaten in Gesellschaft des ehemaligen Studenten Bekker von Biedenkopf habe kennen lernen. Von Butzbach sey er heute Morgen, ebenwohl auf Seitenwegen, nemlich über Leihgestern, hierher gegangen, und habe sich unmittelbar nach seiner Herkunft zum Universitätsrichter verfügt. Die Veranlassung dieser Reise ist durch den vorgefundenen Brief des Eugen Bückel actenmäßig gewiß, ob der angegebene Zweck der Zusammenkunft der wahre sey, ist eine andre, sehr zu bezweifelnde Frage. Die Art der Reise im Vergleich mit der ähnlichen des Minnigerode ist sehr verdächtig, und ich komme zu der nahen Vermuthung, daß sie gleichen Zweck gehabt hätte. Da indessen bis jetzt kein bestimmter Anhaltspunkt gegeben ist, und Büchner sich gewiß nicht gestellt haben würde, wenn er sich nicht hinlänglich sicher wüßte; so habe ich es gewagt, die befohlene Verhaftung nicht zu vollziehen, weil sie zwecklos seyn und vom Hofgerichte alsbald wieder aufgehoben werden würde, wie seine Verfügung gegen Schütz beweiset. Der Urheber der Anzeigen, die meinen Auftrag bedingten, muß ohne Zweifel im Stande seyn, Anhaltspunkte zu gewähren, die ihn selbst im Hintergrunde lassen. Ich bitte also unterthänigst, nähere, sachgemäße Erkundigung einziehen zu lassen, die ich dann verfolgen und so vorsichtig und mit allem Fleiße benutzen werde, um dem Zusammenhange auf den Grund zu kommen. Bevor mir weitere höchste Verfügung zukommt, will ich die Acten über Büchner an die gerichtliche Untersuchungscommission noch nicht abgeben, ich bitte darum unterthänigst, jene Verfügung in Gnaden zu beschleunigen.
Überlieferung
Druck: Wilhelm Diehl, Minnigerode’s Verhaftung und Georg Büchners Flucht, in: Hessische Chronik 9 (1920), S. 15 f. (vgl. MBA II.2, S. 186 f.).