HL Dok 2.3.1.
Verhörprotokoll Gustav Clemm; Gießen 2. Mai 1835
Q. 22.
Kannten Sie den Dr Eichelberg schon von früher her?
R. Ja ich kannte ihn schon von früher her. Meine erste Bekanntschaft mit ihm beruht auf folgender Veranlassung. Der Dr Weidig kam im vorigen Sommer von Butzbach hierher und lud mich ein mit ihm, dem Advokaten Briel, dem Studenten Büchner, Buchhändler Ricker und dem Advokaten Rosenberg auf die Badenburg zu gehen, wohin zu einer verabredeten Zusammenkunft mehrere Marburger kommen wollten. In dem Augenblick weiß ich mich auf die Zeit nicht genau zu besinnen, ich will noch einmal darüber nachdenken. Ich ging in Gesellschaft des Studenten Büchners auf die Badenburg, Weidig und die andern fuhren dahin. Einige Zeit nach meiner Ankunft kam Dr Eichelberg, Dr Heß, von Breidenbach und ein Marburger Bürger, dessen Namen mir entfallen ist, Kolb glaube ich hat er geheißen, dahin. Der Hauptzweck dieser Zusammenkunft war der, daß Dr Weidig über die Ergebnisse und Erfolge seiner Reise nach Süddeutschland den Versammelten Bericht erstatten wollte. Wir saßen alle zusammen in der Anlage die rechts vom Fahrwege in die Badenburg auf einer Anhöhe liegt. Der Bericht welchen Weidig uns mündlich abstattete sagte Folgendes:
er sey in Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Darmstadt und irre ich nicht, auch in Mannheim gewesen um die Verbindung aller revolutionärer Elemente wieder anzuknüpfen. Er sprach davon, daß er in Frankfurt sich namentlich mit Dr Jucho benommen, doch ich muß mich verbessern dahin, daß ich nicht bestimmt weiß, ob er den Dr Jucho bei dieser Gelegenheit bestimmt genannt hat. Er erzählte, daß er einer Versammlung von Gleichgesinnten in Wiesbaden angewohnt habe, in welcher beschlossen worden sey, daß revolutionäre Flugschriften in den einzelnen deutschen Bundesstaaten sollten mittelst geheimer Presse gedruckt und verbreitet werden und daß von dem in Frankfurt <recte: Frankreich> befindlichen Schüler aus Rheinbaiern eine Zeitschrift für ganz Deutschland und namentlich für Gebildere bestimmt redigirt werden solle. Die Flugschriften für die einzelnen Länder sollten den Stoff benutzen, den die individuellen Verhältnisse der letzteren grade darböten, dann solle von Zeit zu Zeit eine General-Versammlung zum Zweck Wirkung und weitere Mittel zu Erhaltung der Verbindung in den einzelnen Ländern zur Besprechung stattfinden. Ich erinnere mich nicht, daß er außer dem gewesenen Präsidenten Mohr von Mainz und dem Hofrath Idstein von Mannheim, die seiner Versicherung nach sich dazu verstanden hätten nach Würtenberg oder Baden zu reisen um in diesem Sinne die revolutionären Verbindungen wieder anzuknüpfen, noch andere Theilnehmer an der Wiesbader Versammlung uns genannt habe. Ferner erzählte er, daß er in Darmstadt gewesen und mit dem Advokaten Stahl sich benommen habe, ebenso, daß er in Mainz gewesen sey. In Folge dieser Eröffnung nun wurde denn auf der Badenburg beschlossen, daß von uns für die hiesige Gegend auch solche revolutionäre Flugschriften sollten geschrieben, gedruckt und in Umlauf gesetzt werden und es solle eine Presse bei dem MaschinenFabrikanten Jordan in Darmstadt angekauft werden. Lithograph Schüler in Darmstadt hat sich wegen Ankaufs dieser Presse mit Jordan benommen und letzterem dieserhalb auch bestimmte Zusage gegeben. Ich habe hiervon öfters reden hören ohne jedoch in dem Augenblick die Quelle angeben zu können. Damals war der Landbote noch nicht erschienen, es ist keiner bezeichnet worden wer dieser Uebereinkunft gemäß die erste Flugschrift concipiren solle, die Marburger Anwesenden erklärten ihren Entschluß, daß sie das Material, welches Churhessen darbiete benutzen und in Flugschriften bearbeiten wollten.
fpr.
Q. 23.
Die Ausführung dieser Dinge setzt begreiflich Geldmittel voraus, ist bezüglich dieser in Badenburg etwas bestimmtes vorgekommen?
R. Man sprach davon, daß von den Gleichgesinnten Geldbeiträge sollten periodisch erhoben werden, wir Studenten sind dazu nie beigezogen worden, ich glaube aber, daß die bemittelten Angesessenen ihre Beiträge gegeben haben.
R. Ja ich habe ihn öfter in Marburg gesehen, namentlich war ich die vorigen Herbstferien ohne bestimmten Zweck in Marburg und traf damals den Dr Weidig bei Eichelberg an. Ich erzählte beiden, daß Carl Flach von Butzbach in Darmstadt bei Advokat Stahl gewesen und von ihm gehört habe, daß zwei Badenser die ich aber nicht nahmhaft zu machen weiß, und deren Namen auch nicht genannt worden sind sich bereit erklärt hätten den Wiesbader Beschlüssen gemäs zu handeln, daß Pfiezer in Würtemberg erklärt habe, dort könne wegen allzugroßer Wachsamkeit der Polizei vorerst nichts geschehen.
fpr.
Q. 28.
Es scheint sonach, daß der s. g. Hessische Landbote eine Folge der Verabredung in Badenburg gewesen sey, ich wünsche, daß Sie sich hierüber äußern?
R. Nein, das glaube ich nicht, denn Büchner und Becker hatten schon um Ostern v. J. wie ich von ihnen nach der Entlassung aus meiner Haft erfuhr, an dem Entwurfe dazu gearbeitet und Weidig hat erst später die Correctur des Entwurfs besorgt.
fpr.
Q. 29.
Was ist Ihnen über etwaige Beziehungen des Stud. Minnigerode zur Autorschaft des Landboten im Allgemeinen und insbesondere von seiner möglichen Theilnahme für die Verbreitung desselben bekannt?
R. Daß Student Minnigerode bis gegen die Zeit des Erscheinens der ersten Auflage des Landbotens nichts von seiner Vorbereitung gewußt habe, dies glaube ich annehmen zu können und ich schließe, daß er erst durch den Studenten Schütz eingeweiht und zur Theilnahme bestimmt worden sey.
fpr.
Q. 30.
Wo ist der Druck jener ersten Auflage des Landboten Ihrer Wissenschaft nach besorgt worden?
R. Ich weiß darüber nichts genaues aus welcher Presse die erste Auflage des Landboten hervorgegangen ist, sie ist entweder in Offenbach oder was ich noch eher glaube in Frankfurt gedruckt worden. Daß Preller,ein gewisser Lederhändler Hausmann in Offenbach und Pfarrer Flick von dem Druck desselben gewußt und zu seiner Beförderung beigetragen haben, weiß ich gewiß, denn ich habe unzählige mit Weidig, August Becker und Carl Flach darüber gesprochen und diese Umstände von ihnen als gewiß bestätigt erhalten.
fpr.
Q. 31.
Haben Sie den Studenten Minnigerode vor seinem Weggange von hier gesprochen und über den Zweck seiner mit Schütz vorhabenden Reise von ihm Mittheilungen erhalten?
R. Ja ich sprach ihn vor seinem Abgange von hier, er erklärte mir, daß er Weidigs Aufforderung folgend, mit Schütz nach Butzbach gehen werde um dort Aufträge Weidigs zu empfangen und sie zu besorgen. Da ich wußte, daß grade zu dieser Zeit es sich um den Druck des Landboten handelte, so schloß ich hiervon, daß die Reise des Schütz und des Minnigerode sich darauf beziehe, und es ist, indem ich dies als Gewißheit unterstellte, weiter darüber mit Minnigerode nicht gesprochen worden.
fpr.
Überlieferung
Handschrift 1: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., Criminalia, Nr. 11867, p. 194–203; Handschrift 2: Staatsarchiv Marburg, 266 Marburg, Nr. 32, fol. 147–150; Druck (Auszug): Friedrich Noellner, Actenmäßige Darlegung des wegen Hochverraths eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens gegen Pfarrer D. Friedrich Ludwig Weidig, 1844, S. 427 (vgl. MBA II. 2, S. 121–124).