9. Dezember 1833. An August Stöber in Oberbronn
Darmstadt: d. 9. Dec. 33.
Lieber August!
Ich schreibe in Ungewißheit, wo Dich dießer Brief treffen wird. Ich müßte mich sehr irren, wenn mir nicht Lambossy geschrieben hätte, daß Du Dich gewöhnlich in Oberbrunn aufhieltest. Das nämliche sagte mir Künzel, der von Deinem Vater auf einen an Dich gerichteten Brief Antwort erhalten hatte. Du erhälst am spätesten einen Brief, weil ich Dich am letzten mit einem finstren Gesicht quälen wollte, denn wenigstens Eurer Theilnahme halte ich mich immer versichert. Ich schrieb mehrmals, vielleicht sahst Du meine Briefe; ich klagte über mich und spottete über andre; beydes kann Dir zeigen, wie übel ich mich befand. Ich wollte Dich nicht auch in’s Lazareth führen und so schwieg ich.
Du magst entscheiden ob die Erinnerung an 2 glückliche Jahre, und die Sehnsucht nach All dem, was sie glücklich machte oder ob die widrigen Verhältnisse unter denen ich hier lebe, mich in die unglückseelige Stimmung setzen. Ich glaube s’ist beydes. Manchmal fühle ich ein wahres Heimweh nach Euren Bergen. Hier ist Alles so eng und klein. Natur und Menschen, die kleinlichsten Umgebungen, denen ich auch keinen Augenblick Interesse abgewinnen kann. Zu Ende Octobers ging ich von hier nach Gießen. 5 Wochen brachte ich daselbst halb im Dreck und halb im Bett zu. Ich bekam einen Anfall von Hirnhautentzündung; die Krankheit wurde im Entstehen unterdrückt, ich wurde aber gleichwohl gezwungen nach Darmstadt zurückzukehren um mich daselbst völlig zu erholen. Ich denke noch bis Neujahr hier zu bleiben und d. 5 od. 6. Januar wieder nach Gießen abzureisen.
Ein Brief von Dir würde mir große Freude machen, und, nicht wahr Christ einem Reconvalescenten schlägt man nichts ab? Seit ich Euch am Mittwoch Abend vor 5 Monaten zum letzten mal die Hände zum Kutschenschlag hinausstreckte, ist’s mir als wären sie mir abg[ebrochen] und ich denke wir drücken uns die Hände um so fester, je seltner wir sie uns reichen. 3 treffliche Freunde habe ich in Gießen gelassen und bin jetzt ganz allein.
H. Dr. H. K.... ist freilich noch da, aber das ästhetische Geschlapp steht mir am Hals, er hat schon alle mögliche poetischen Accouchirstühle probirt, ich glaube er kann höchstens noch an eine kritische Nothtaufe in der Abendzeitung appelliren.
Ich werfe mich mit aller Gewalt in die Philosophie, die Kunstsprache ist abscheulich, ich meine für menschliche Dinge, müsse man auch menschliche Ausdrücke finden; doch das stört mich nicht, ich lache über meine Narrheit, und meine es gäbe im Grund genommen doch nichts als taube Nüsse zu knacken. Man muß aber unter der Sonne doch auf irgend einem Esel reiten und so sattle ich in Gottes Namen den meinigen; für’s Futter ist mir nicht bang, an Distelköpfen wirds nicht fehlen, so la[n]g die Buchdruckerkunst nicht verloren [g]eht. Lebe wohl, Bester. Grüße die Freu[n]de, es geschieht dann doppelt, ich habe auch B[ö]ckel drum gebeten.
Und Adolph ist er wieder in Metz? ich schicke Dir nächstens einige Zeilen an ihn.
Was schreiben Viktor und Scherb.
Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen. Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen. Ich bete jeden Abend zum Hanf und zu d. Latern.