6. Februar 1836. Von Karl Gutzkow nach Straßburg
Mein lieber Freund!
In kurzer Zeit 3 Briefe von Ihnen: 2 die ziemlich gleich lauteten u einen, der den Alsabildern beilag. Ihre Rathschläge sind entschieden; aber ich möchte sie noch nicht befolgen. Eine Entfernung aus Deutschland brächte mich um die Voraussetzung eines guten Gewissens, auf das ich mich dreist berufe. Wenn auch von Menzel als strikter Republikaner denunzirt, so tritt doch die politische Seite meiner Anschuldigungen ziemlich in den Hintergrund, u. sogar in Preußen scheint man ein andres u milderes Benehmen einleiten zu wollen. Meine Taktik muß die seyn, Preußen (ich bin aus Berlin gebürtig) so lange zu vermeiden, bis ich das entschiedene Wort des Ministeriums hab, daß meiner Freiheit nichts in den Weg tritt. Da Laube u Mundt frey passiren, würde man vielleicht auch Anstand nehmen, gegen mich persönlich einzuschreiten. Solange ich kann, halt’ ich mich um Frkft herum; denn ich bin daselbst verlobt; aber die elenden Krämer werden mich unsanft empfangen, u. das binnen 24 Stunden hör’ ich schon, wie natürlich. Diese Menschen wissen nun Alle, daß mich nichts nach Frkft zieht, als meine Braut; und doch sind sie spitzbübisch genug, mir andre Zwekke unterzuschieben. Kurz, ich sehe Noth u Plage voraus u werde soviel gehänselt werden, daß ich zuletzt doch im „Rebstöckel“ nachfragen könnte. Aber die Freude, Sie zu sehen, müßt’ ich dann theuer erkaufen, da mir schwerlich der Rückweg dann offen bliebe.
Die gegen mich bereits erhobene Appellation ist zurückgenommen durch die Minister in Carlsruhe. Ich danke Gott, von dieser Ungewißheit befreyt zu seyn. Am 10 Februar bin ich nun frey: mit der Weisung, Baden zu verlassen. Ich saß dann 2 ½ Monate u zwar wie Sie richtig annahmen im Amthause oder Kaufhause, wie der ganze Arcadenwürfel heißt. Behandlung war erst massiv; dann milderte sie sich u endete zuletzt in entschied. Höflichkeit. Erst wollte man mich steinigen, u jezt bin ich ziemlich populär. Die Deutschen sind wenigstens gutmüthig u können Niemanden lange leyden sehen.
Können Sie denn in Str. vollkommen die deutschen Affairen seit einem halb. Jahre übersehen? Eine Kette von Nichtswürdigkeiten u Dummheiten: die gänzliche innre Auflösung Deutschlands characterisirend. Ich will mich nicht in Schutz nehmen, ich weiß, daß ich outrirt habe; aber was erlaubte man sich nicht dagegen! Vieles ist sehr versteckt u Sie erfahren es nocheinmal mündlich.
Ich höre gern von Ihren Beschäftigungen. Eine Novelle Lenz war einmal beabsichtigt. Schrieben Sie mir nicht, daß Lenz Göthes Stelle bei Friederiken vertrat. Was Göthe von ihm in Straßburg erzählt, die Art, wie er eine ihm in Commission gegebene Geliebte zu schützen suchte, ist ansich schon ein sehr geeigneter Stoff. –
Sie studiren Medizin u sind, wie ich höre, an eine junge Dame in Str. gefesselt, von früherher, wo Ihnen die Flucht dorthin sehr willkommen war. So sagte man mir wenigstens in Rödelheim.
Wenn Sie mir schreiben – so addressiren Sie: Generalconsul Freinsheim in Frankfurt a/M. Wolfseck
Freundlich grüßend
Ihr Gutzkow
Mannheim
d. 6 Febr. 36