Alexis Muston
Alexis Muston; http://esz-archiv.de/200518/05-18-25-1.jpg

Jean-Baptiste Alexis Muston

(geb. 11. Febr. 1810 in Torre-Pellice, Piemont, gest. 6. April 1888 in Bourdeaux, Drôme), Sohn eines waldensischen Pfarrers, von 1825 bis 1831 „Académie de Lausanne“, Nov. 1831 – Okt. 1834 stud. theol. in Straßburg, 1834 Lizentiat, Baccalaureus und Dr. theol., danach Hilfspastor in Rodoret bei Bobby (Piemont); im Januar 1835 Flucht nach Frankreich aufgrund drohender Verhaftung wegen seines Buches über die Waldenser, das in Widerspruch zur Geschichte der Waldenser des Bischofs von Pignerol stand; 1836 Hilfspastor in Bourdeaux, 1840 bis 1888 Pfarrer ebd. Poetische und kirchengeschichtliche Publikationen, insbesondere die Histoire des Vaudois des vallées du Piémont et de leurs colonies, depuis leur origine jusqu’à nos jours (Straßburg u. Paris: Levrault 1834), L’Israel des Alpes; première histoire complète des Vaudois du Piemont et de leurs colonies, 4 Bde. (1851).

Muston, der in Straßburg Theologie studierte und unter anderem mit Büchners Großcousin Edouard Reuss verkehrte, machte dort auch die Bekanntschaft Georg Büchners. Er besuchte neben Lehrveranstaltungen an der theologischen Fakultät auch solche an der philosophischen, an der naturwissenschaftlichen und vor allem an der medizinischen Fakultät (vgl. „Journal d’étudiant“, in: Fischer 1987b, S. 40, 292). Wann und unter welchen Umständen Muston und Büchner einander kennenlernten, ist im einzelnen nicht überliefert. Unter den gemeinsamen Bekannten in Straßburg sind für 1832 der Medizinstudent Jean-Moÿse Lambossy sowie für 1833 Büchners ehemaliger Mitschüler Hermann Dittmar (vgl. „Journal d’étudiant“, in: Fischer 1987b, S. 174) nachgewiesen. Im September und Oktober 1833 hielt er sich in Darmstadt auf, um Archivalien zur waldensischen Geschichte einzusehen. Zeitleiste September/Oktober 1833. Er stand in  engem Kontakt mit Büchner und hat in einem Tagebuch seine Begegnung mit Büchner ausführlich geschildert. LZ 1660 Muston, Journal d'etudiant. Er traf sich mit ihm nochmals im Frühjahr 1834, möglicherweise am 11. April. LZ 1660 Muston, Journal d'etudiant, chap. 279

Ludwig Büchner weist außer auf Mustons Darmstadt-Reise auch auf eine ausgedehnte Korrespondenz zwischen diesem und Georg Büchner hin (vgl. N 250, Fußn.)

Die Waldenser sind eine im 12. Jahrhundert entstandene asketische Laienbewegung, die sich auf den Lyoner Kaufmann (Petrus?) Valdes zurückführt. Ihre Exkommunikation auf dem Konzil von Verona 1184 leitete wiederholte, bis ins frühe 19. Jhd. andauernde Verfolgungen ein. Unter dem Einfluß von Hussiten schlossen sich die Waldenser der schweizerischen Reformation an. In Deutschland gingen sie nach 1820 in den evangelischen Landeskirchen auf. – Muston bemühte sich in seiner Histoire des Vaudois von 1834 um den Nachweis, daß die Waldenser historisch direkte ‚Erben der apostolischen Lehre’ und damit Bindeglied zwischen Urkirche und Reformation seien; er beschrieb die Waldensertäler in den Cottischen Alpen als zunächst Zufluchtsort der oppositionellen frühen Christen, dann Zentrum einer zeitlich wie räumlich ausgedehnten Rückbesinnung auf das Urchristentum. Wegen seiner Schrift wurde gegen Muston um den Jahreswechsel 1834/35 in Turin Haftbefehl erlassen (vgl. Jean Gaulmier, De Fantine aux Vaudois d’Arras, in:  Bulletin de la Faculté des lettres de Strasbourg, 40. Jg., Nr. 4, Januar 1962, S. 239-48, hier S. 242.

Von Mustons Hand stammen zwei kleine mit Bleistift gezeichnete Porträtskizzenskizzen Büchners. Eine ist ein Detail aus dem Skizzenbuch, das der Straßburger Theologiestudent während einer gemeinsamen Wanderung durch den Odenwald bei sich hatte und mit den verschiedensten spontanen Beobachtungen füllte. Die Bezeichnungen von Mustons Hand lauten: "Buchner" (oben); "la mer des roches" (d.i. das Felsenmeer, unten ). Die andere Skizze ist ein Ausriß eines von Muston in französischer Sprache geschriebenen, nicht datierbaren Briefes an einen unbekannten Empfänger. Da sich der Ausriß unter den Papieren der Familie Muston erhalten hat, handelte es sich möglicherweise um einen Brief an seine Eltern mit einem Bericht über den Besuch bei Büchner in Darmstadt (Oktober 1833). Die Erwähnung "Balzá[c]" und der erkennbare Zeilenanfang "C’était Buch[ner]" lassen dagegen eher auf einen anderen Freund Mustons als Empfänger und möglicherweise eine Datierung nach Büchners Tod schließen (Text: Thomas Michael Mayer).

Literatur:
Fischer, Heinz: Georg Büchner und Alexis Muston. Ein Büchner-Fund, München 1987

Normdaten (Person): 118823019

Zuletzt bearbeitet: Juni 2017