HL Dok 5.4.12.
Verhörprotokolle Valentin Kalbfleisch; Darmstadt 24. Juni 1836 und 1. März 1837

Kalbfleisch berichtet von einem Treffen Anfang Dezember 1834 mit Weyprecht und Clemm in Gießen:

ich habe indeßen hier noch das Geständniß hinzuzufügen, daß, als Clemm zu Weiprecht herzugerufen worden war, mir dieser zugleich die Anmuthung stellte: ich möge, um sie zu verbreiten, ein Päkchen Abdrücke de[s] Heßischen Landboten mit nach Butzbach nehmen. Clemm entfernte sich, und holte einen Pack dieser Schrift. Ich sträubte mich sie anzunehmen, Weyprecht schalt aber und sagte: die Butzbacher hätten keine courage mehr, es wären schlechte Kerl!

Er habe sich dann doch bereden lassen, 30.– 40. Exemplare mitgenommen und Karl Braubach in seine Strumpfweberwerkstätte gebracht.

Zulezt drang Braubach an einem Sonntage um Neujahr mit der Vorstellung auf die Verbreitung, daß sie, da der Abdruk wohl mit großer Gefahr geschehen wäre, nun auch erfolgen und um so mehr erfolgen müße, als Minigerode noch sitze und die Behörde sonst glaube, der habe alles allein gethan. An diesen Besprechungen über die Verbreitung des Landboten nahm Karl Flach auch Antheil, er war aber durch einen bösen Fuß gehemmt, an der Verbreitung selbst zu participiren. Braubach und ich theilten die vorhandenen Exemplare des Landboten, welche Braubach des Sonntags über in Löschpapier einzeleingeschlagen hatten und nun giengen wir des Abends auf die Verbreitung aus. Braubach hieß mich nach Langgöns, Kirchgöns und Polgöns gehen und die einzelnen Blätter des Landboten an Häußern verbreiten. Ich habe nun auch wirklich in Polgöns und Kirchgöns vielleicht zehen einzele Exemplare auf der Straße ausgeworfen, nach Langgöns bin ich aber nicht mehr hingegangen, und den Rest der Schriften habe ich bei meiner Rükkehr nach Butzbach durchs Feuer vernichtet. Braubach übernahm es nach Hochweisel, Niederweisel, Griedel und andere nahe gelegene Orte zu gehen, und er sagte mir auch später, daß er die Landboten verbreitet habe.

Ich habe schon früher bemerkt, daß, die mit der Verbreitung dieser Schrift verbundene Gefahr angesehen, man zweifelhaft gewesen sey, ob man, zumal da man sie für rechtswidrig und zwecklos mit erkannte, zur Verbreitung dieser Schrift schreiten solle. Während der Zeit dieses Zweifels kam August Becker nach Butzbach, er wußte, daß die Schriften da waren, und ich war eines Sonntags mit ihm bei dem Carl Flach; ich glaube, Carl Braubach war gleichzeitig zugegen. Sonst war wenigstens gewiß Niemand außer den Genannten anwesend. Die Frage über die Verbreitung jener Schrift kam bei diesem Zusammenseyn zur Sprache und man redete darüber hin und her. Bekker drang auf die Verbreitung, oder, um gelind zu reden, er war der Meinung, daß die Schriften verbreitet werden müßten, und als geäußert ward, wie gefährlich diß sey und wie leicht man auf der That ertappt werden könne, sagte er: „Ei stecht den todt, der euch anhält.“ Ich will gerne glauben, daß Bekker diesen Rath nicht ganz ernstlich gemeint hat. So viel ist gewiß, daß bei der Besprechung über die Vorsichtsmasregeln und über die Verpackung der einzelnen auszustreuenden Exemplarien Bekker rieth, diese mit Umschlägen von dunkelm, von blauem Papier zu versehen, damit, wenn dem nächtlicher Weile Verbreitenden etwa Jemand nachgehe, das Weiße des Papiers nicht so in die Augen falle. An einem späteren Sonntag Abende habe ich mich denn nun, wie ich schon früher erzählt, der Verbreitung jener Landboten in Pohlgöns und Kirchgöns unterzogen. Aber ich habe bisher noch eine Thatsache verschwiegen, die nehmlich, daß der mehrgedachte Georg Marguth mit mir gieng und diese Flugschrift verbreiten half.

v. u. g.

Überlieferung
Handschrift: Staatsarchiv Ludwigsburg, E 319, Bü 47a, Qu. 99, fol. 92–94 u. 192 f.; Druck: MBA II.2, S. 266 f.