LZ 1175
Verordnungen über die Prüfung der Reife und die zwei ersten Studienjahre der Inländer (1807–1829)

a) Verordnung des Großherzogs von Hessen; Darmstadt 30. September 1807

3) Jeder, der von den Landespädagogien oder Gymnasien zu Unserer Landesuniversität übertreten will, hat, ehe er daselbst aufgenommen werden kann, sich durch einen Exemtionsschein des Pädagogs oder Gymnasiums, woselbst er studirt hat, zu rechtfertigen. Es ist demnach jeder Studirende, der eine dieser Landesschulen verlässt, von dem Vorsteher derselben genau zu prüfen, ob er die zum Besuch der hohen Schule nöthigen Kenntnisse besitze oder nicht; im ersten Falle ist ihm der Exemtionsschein zu ertheilen, im andern Fall aber ist er zu längerem Besuch der Schule und mehrerer Befähigung anzuweisen.

4) Jedes Landeskind, so von besagten Landespädagogien oder Gymnasien zur Landesuniversität Giessen übergeht, hat daselbst zwei Jahre, und zwar die beiden ersten Jahre seines akademischen Studiums zuzubringen. Erst nach dem auf der Landesuniversität absolvirten Biennio soll es jedem frei stehen, zu seiner grösseren Vervollkommnung auswärtige Lehranstalten zu besuchen. <…>

5) Sämmtliche Landeskinder, welche in irgend einer Facultät einen akademischen Grad nehmen wollen, haben sich denselben nirgends, als auf der Landesuniversität ertheilen zu lassen. <…>

7) Damit jedoch diesen Verordnungen um so genauere Folge geleistet werde, so ist es Unser wiederholter ernstlicher Wille, dass diejenigen, so sich dem vorschriftmässigen Besuch der Landesgymnasien und Pädagogien entziehen werden, von dem Eintritt auf die Universität ohne Nachsicht abgewiesen; diejenigen aber, so auch das zweijährige Universitätsstudium nicht vorschriftmässig gemacht haben, zu keiner, eine gelehrte Bildung voraussetzenden Bedienung zugelassen werden sollen.

b) Anordnung des Akademischen Senats der Universität Gießen; Gießen 29. März 1821

Höchstem Befehle gemäss wird <…> bemerkt, dass ein Inländer die zwei ersten Jahre seiner Studienzeit auf der Landesuniversität zuzubringen gesetzlich verpflichtet ist.

c) Verordnung des Ministeriums des Innern und der Justiz über die Prüfung der Reife; Darmstadt 30. Dezember 1824

<…> Verordnung, nach welcher alle in dem Grossherzogthum bestehende Gymnasien und Pädagogien, so wie alle Inländer, welche auf der Universität irgend eine Wissenschaft studiren wollen, sich zu achten haben.

1.) Jeder Inländer, der die hohe Schule beziehen will, welcher Wissenschaft er sich auch widmen mag, muss

a) der teutschen Sprache so weit mächtig sein, dass er über ein angemessenes Thema einen Aufsatz liefern kann, der frei von orthographischen und grammatischen Fehlern ist und Uebung in richtiger und klarer Darlegung der Gedanken bewährt;

b) im Lateinischen so geübt sein, dass er einen ihm dictirten oder vorgelegten teutschen Abschnitt sogleich lateinisch niederschreiben und nach vorgenommener eigener Durchsicht, Prüfung und Verbesserung grammatisch richtig liefern, auch aus einem schon gelesenen lateinischen Prosaiker oder Dichter einen Abschnitt richtig übersetzen und erklären kann;

c) im Griechischen so weit fortgeschritten sein, dass er aus einem schon gelesenen Prosaiker oder Dichter einen Abschnitt gut und richtig zu erklären im Stande ist;

d) in der Arithmetik, Geometrie, Universal-Geschichte und Geographie wohl unterrichtet sein.

5. <…>

Diejenigen <…>, welche entweder alle Classen eines Landes-Gymnasiums besucht, oder zwei Jahre in der obersten Classe des Gymnasiums und unter diesen wenigstens 1/2 Jahr auf der obersten Ordnung der obersten Classe zugebracht haben <…>, erhalten von den Directoren der Landes-Gymnasien, wenn diesen die Befugnis dazu eingeräumt ist, den zum Besuche der hohen Schule erforderlichen Exemtionsschein ohne eine weitere Prüfung.

d) Verfügung; Darmstadt 28. Dezember 1826

Nach einer höchsten Verfügung vom 28. December 1826 sollen die beim Abgange der Schüler ihnen mitgegebenen Zeugnisse nicht blos die Zeit, während welcher ein Schüler im Gymnasium Untericht erhalten, so wie die Classe und Ordnung, in welcher er zuletzt gesessen, angeben, sondern auch eine möglichst genaue und nach pflichtmässiger Ueberzeugung, so wie mit der grössten, keine persönliche Rücksichten kennenden Gewissenhaftigkeit zu entwerfende Charakteristik des abgehenden Schülers hinsichtlich seines Fleisses, seiner Anlagen, seiner Fortschritte, seiner Sittlichkeit, Ordnungsliebe, Folgsamkeit u. s. w. enthalten.

Überlieferung
Druck: Osterprogramm des Darmstädter Gymnasiums, 1830, S. 17 f.,19, 21 f., 26.