HL Dok 6.1.1.
Bundeszentralbehörde: Bericht an den preußischen Justizminister Heinrich Gottlob Mühler in Berlin; Frankfurt a. M. 8. Januar 1841

Die Bundes-Central-Behörde hat gestern von dem Großherzgl. Hessischen Kriminalrichter Nöllner zu Darmstadt mit Schreiben vom 6. d. Mts. Abschrift eines Protokolls erhalten, welches er mit dem verhafteten und der Theilnahme am Bunde der Geächteten geständigen Bäcker Adam Koch in den Tagen des 24, 28 und 29. v. und 2. d. M. aufgenommen hatte. Dieser Inkulpat hatte eine Zeit lang in Gießen studirt und steht daher in seiner Bildung über seinem Stande und seinen Standesgenossen, auch über der Mehrzahl der bisher ermittelten Mitglieder des Bundes der Geächteten, welche fast ohne Ausnahme dem Handwerksstande angehören und wissenschaftlicher Bildung entbehren. Der Adam Koch pflegt daher die Verhöre selbst zu diktiren, wodurch sie mehrentheils zu ungebührlichem Umfange anschwellen, und mit einiger Rhetorik seine jugendlichen Verirrungen, seinen Freiheitsschwindel und seine Begeisterung zu schildern, auch sich einige Bedeutung in dem Verhältniß zu andern Bundesgliedern beizulegen.

Von besonderem Interesse ist jedoch die Verhandlung vom 24: Dezember 1840, in der Inkulpat Koch hier vorträgt, daß im Herbst 1834 einer seiner Umgangsfreunde Georg Büchner ihn in eine durch denselben zu Darmstadt begründete Verbindung aufgenommen habe, welche ihre Versammlungen in dem Gartenhause des Schmidtmeisters Wetzel am großen Wooge, aufgenommen habe, deren Mitglieder dazumal 1. Büchner, 2. Wiener, 3. Kahlert, 4. Nievergelder, 5. Jakob Koch (des Deponenten älterer Bruder), 6. der Kalbsmetzger Pfeifer, jetzt Müller genannt, und 7. der Schmidtmeister Wilhelm Wetzel gewesen. . Diese Büchnersche Verbindung, deren Seele der Stifter war, ward im Jahre 1835 größtentheils aufgelöst, indem Büchner und mehrere andere Mitglieder derselben in das Ausland flüchteten und andere Mitglieder sich sonst davon zurückzogen, so daß nur Koch mit einem Geometer Christian Möser, Geometer Daniel Hess und Daniel Mahr übrig blieben, welche im Winter 1835/36 im Exerciren Unterricht nahmen. Die Grundsätze dieser Verbindung hatte Büchner in einer von ihm verfaßten Constitution der Verbindung niedergelegt, welche er bei seinem Austritt nach Frankreich den Verbindungsgliedern zurückließ; es ergab sich nach Koch’s Angaben daraus, daß die Republikanisirung Deutschlands der letzte Zweck der Verbündeten war, welche durch einen Massenaufstand herbeigeführt werden sollte. Die innere Einrichtung der Verbindung entsprach dem Männerbunde und es scheint dieselbe überhaupt, so weit sie reichte, als ein Wiederaufleben oder Fortsetzung desselben. Der Inkulpat Koch versichert indeß, seitdem der pp Möser im Sommer 1836 nach Amerika gegangen sei, habe jegliches Verbindungsleben in Darmstadt aufgehört.

Diese und weitere Bekenntnisse des p Koch haben den Criminalrichter Nöllner veranlaßt, am 1. und 2. d. M. wieder fünf Individuen verhaften zu lassen, unter denen sich die obengenannten Mitglieder der Büchnerschen Verbindung, Wetzel und Müller befinden. Es ist Aussicht dazu vorhanden, die Büchnersche „Constitution der Verbindung“ noch wieder herbeizuschaffen und es dürften von dieser Seite noch interessante Aufschlüsse bevorstehen . Eine Abschrift des Kochschen Verhörs heute beizufügen, war nicht möglich, da dasselbe anderweitig gebraucht wird.

(gez.) von Brauchitsch

Überlieferung
Handschrift: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 77 Ministerium des Inneren, Tit. 509, Nr. 47, Bd. 2, fol. 32 f.; Druck: MBA II.2, S. 282 f.