HL Dok 1.7.4.
August Becker: Anmerkung zum Kommunismus-Begriff; Schweiz September 1845

Die Gesellschaft der Menschenrechte in Gießen

Unter Kommunismus verstehen wir das allen Menschen gemeinschaftliche Recht auf die Erde und ihre Güter um den Preiß und nach Maaßgabe der Arbeit. Indem wir uns somit für Gemeinschaft der unbeweglichen Güter aussprechen, bekennen auch wir uns zum Kommunismus. Diese Gemeinschaft ist zugleich das unterscheidende Merkmal zwischen uns und den Politikern und Nationalökonomen vom alten Schlag. Kommunismus so verstanden, ist daher auch für unsere Ansicht eine bezeichnende und willkommene Benennung. Humanismus und Socialismus sind zwar erschöpfender aber sie sind zu allgemein; – das Wort Kommunismus trifft den Nagel besser auf den Kopf, obgleich es auch nur Eine Seite des Princips, das wir vertreten, bezeichnet. Hat man indessen seinen Kopf darauf gesetzt, unter Kommunismus den Spital-Zwang der Arbeitsstunden nebst der bettelhaften Scheinfreiheit der s. g. Kommerzstunden zu verstehen, soll Kommunismus absolut gleichbedeutend sein mit Gemeinschaftlichkeit der Taglöhnerarbeit und der willkührlich eingetheilten und zugemessenen Genüsse; ist es namentlich wahr, daß in Deutschland fast überall dieser freiheitmörderische tagelöhnerische Begriff mit diesem Wort (das dort nicht nur den s. g. Gebildeten, sondern auch den an unfreie Taglöhner-Arbeit und polizeiliche Hudeleien gewöhnten Arbeitern ein unheimliches Frösteln einjagen soll)verbunden wird, haben wir uns überzeugt, daß dem Allem so sei: dann wird es für uns an der Zeit sein, darüber nachzudenken, ob es nicht besser sei, einen Namen, der den Leuten einen so überflüssigen Schauder einflößt – abzulegen.Bis wir uns hierüber eines Weitern besinnen, werden wir uns nennen, wie es uns ansteht. Weitling, der unerbittliche Feind jeden Eigenthums wird doch hoffentlich keine Eigenthumsansprüche auf diesen Titel machen. Das wäre ja schrecklich inconsequent. Und worauf wollte er sie begründen? Etwa auf das Recht der Priorität? (des Zuerstdagewesenseins). Aber eine (deutsche) Gesellschaft der Menschenrechte bekannte sich schon vor 11 Jahren zum Princip der Gütergemeinschaft. Oder will er sein Eigenthumsrecht aus seinem System herleiten? dann soll ihm hier zum Schluß bewiesen werden, daß er selbst gar kein Kommunist ist. Cabet in Paris, der diesen Namen zuerst in Aufnahme gebracht hat, versteht unter Kommunismus die absolute Gleichheit Aller in Arbeit und Genuß. Weitling aber gestattet seinen Tagelöhnern noch eine aparte Kommerzstunden-Freiheit. Folglich wäre Weitling kein Kommunist. Doch lassen wir das. A. B.

Überlieferung
Druck: A. B., „Bemerkungen zu Nr. 5 der fröhl. Botschaft von W. Weitling“, in: „Die Fröhliche Botschaft von der religiösen und socialen Bewegung“, Nr. 6, Sept. 1845, S. 1–14, hier S. 14 (vgl. MBA II.2, S. 107).