HL Dok 1.4.3.
Verhörprotokolle August Becker; Darmstadt 24. und 25. Oktober 1837

 

Nachmitt. 3 Uhr.

Gegenwärtig

die Vorigen.

August Becker wird vorgeführt und weiter befragt:

p. p.

Qu. 322.

Wo hielten Sie sich im Winter 1834. ausser Giessen sonst noch auf?

R. Ich war auch in diesem Winter einmal in Schotten, etwa 14 Tage lang, wo ich bei meinen Freunden Ewald und Heß logirte. Auch diese Reise hatte keinen politischen Zweck. Jene meine Freunde hatten mir mehrmals geschrieben, sie zu besuchen. Dieser Umstand, Reiselust und ein unerträglicher Zustand der Ungewißheit und Unthätigkeit, welcher sich später dadurch, daß Großh. Ministerium mir ein ganzes Jahr lang meinen Paß zurückhielt, noch vergrößerte, bestimmten mich, jener Einladung Folgezu leisten. Ich war damals ein- oder einige Mal bei Assessor Weidig und Apotheker Lich; ich habe aber auch damals von Flugschriften, namentlich den Leuchtern, nichts gehört.

Als ich von dieser Reise nach Giessen zurückgekehrt war, besuchte ich von hier aus manchmal den Weidig. Um dieselbe Zeit, etwa im April, habe ich das Manuscript zu dem Landboten mit Clemm nach Butzbach zu Weidig getragen. –

In Schotten habe ich allerdings, wie mir soeben einfällt, gehört, daß dort Flugschriften aus gestreut worden seyen; ich weiß aber etwas Näheres hierüber nicht mehr anzugeben.

v. u. g.

p. p.

Q. 337.

Was hatte es für einen Grund, daß gerade Sie und Clemm das Manuscript zum Landboten zu Weidig brachten?

R. Vielleicht blos einen zufälligen. Wenn ich nicht irre, waren ich und Clemm damals in Geschäften in Friedberg bei Herrn Hofger. RathWagner, ohne jedoch ein Verhör zu bestehen. Ich wollte mir ein Zeugniß bei ihm holen, daß ich mich auf eine frühere Vorladung sistirt habe, welches mir das Kreisamt in Giessen abgefordert hatte. Ist diese meine Vermuthung richtig, so ist zugleich der Grund, warum wir Beide nach Butzbach gingen, leicht erklärlich.

v. u. g.

Q. 338.

Was äußerte Weidig zur Zeit, als Sie ihm jenes Manuscript brachten, darüber.

R. Wir brachten das Manuscript dem Weidig, um es durch seine Vermittelung drucken zu lassen. Als er es gelesen hatte, erklärte er, daß die constitutionellen Revolutionairs sich von uns trennen würden, wenn sie die heftigen Invektiven gegen die Reichen läsen und daß daher diese, sowie auch die Ausfälle gegen die landständische Opposition aus gelassen und durch Anderes ersetzt werden müßten.

v. u. g.

Q. 339.

Ließen Sie damals das mehrerwähnte Manuscript in den Händen Weidig’s selber zurück?

R. Weidig hatte erklärt, daß er diese Verbesserungen selber machen und dann das Manuscript zum Druck befördern wolle.

v. u. g.

Q. 340.

Ist das Manuscript bis zumDrucke fortwährend in den Händen des Weidig geblieben?

R. Nein, es ist eine Zeit lang in dem Hause des Carl Braubach gewesen; ich weis aber nicht, ob dies das ursprüngliche oder das verbesserte Manuscript gewesen ist. Ich weis, daß es einmal von Carl Braubach durch den Garten hinter seinem Haus zu Weidig gebracht worden ist. Wie lange es aber Braubach verwahrt, bei welcher Veranlassung er dasselbe bekommen, wer eine etwaige zweite Abschrift des corrigirten Manuscripts, welches mir nicht zu Gesicht gekommen, verfertigt habe, – das Alles weis ich nicht. –

v. u. g.

Q. 341.

Wer hatte, außer Weidig, in Butzbach von der Existenz des Manuscriptes Kenntniß?

R. Kuhl und Zeuner wußten durch mich, daß das Manuscript bei Weidig sey. Der Erstere hatte es schon in Giessen in meinem Hause gelesen, und dessen Inhalt gebilligt. Er kannte auch den Verfasser. Ob es etwa auch Zeuner bei Weidig gelesen habe, weis ich nicht; doch ist es mir wahrscheinlich, da er dessen ganzes Zutrauen hatte. Ich selber habe in dieser Beziehung nie ein Geheimniß vor Zeuner gehabt. Doch glaube ich nicht, daß ich ihm den Verfasser des Manuscripts, wenn er es anders gelesen hat, genannt habe.

v. u. g.

Q. 342.

Fällt Ihnen nicht bei, daß Zeuner selbst einmal das Manuscript des Landboten in seiner Wohnung verborgen gehabt habe?

R. Nein.

v. u. g.

Q. 343.

Derselbe giebt an: entweder einige Tage vor oder nach dem bereits erwähnten Griedeler Markt hätten Sie ihm ein zusammengerolltes versiegeltes Paquet in seine Werkstatt gebracht, dort in eine in die Wand gehende Röhre versteckt und etwa 8 Tage darauf wieder abgeholt. Er fügt hinzu, Sie hätten ihm später gesagt, jenes Paquet habe das Manuscript zum Landboten enthalten. Nach diesen Specialitäten werden Sie sich wohl erinnern können!

R. Ich erinnere mich ganz dunkel, dem Zeuner einmal in Weidigs Auftrag etwas gebracht zu haben. Ich weis aber nicht, ob dies das Manuscript zum Landboten gewesen ist. Seine Angabe, daß ich das Paquet in eine Röhre gesteckt habe, ist wahrscheinlich ungenau. Er hat es vermuthlich selber getan.

Vorgelesen und genehmigt.

Becker wird zurückgeführt.
Dauer 3 St.
Zur Beglaubigung
F. Noellner. C. Müller.

Fortgesetzt, Darmstadt am 25n October 1837.

Morgens 9 Uhr.

Gegenwärtig
die Vorigen.
August Becker wird zum Verhöre vorgeführt und weiter befragt:

Q. 344.

Sie sagten früher /S. 180./ Büchner habe sich zu einer Flugschrift verbindlich gemacht und Sie und Ihre Freunde zu Aehnlichem aufgefordert. Hiernach bestand also schon jene Gesellschaft vor jener Reise in’s Hinterland?

R. Ich habe, wenn ich nicht irre, schon früher angegeben, daß meine frühere Angabe auf einem Irrthum beruhe. Erst seit dem mir neulich verschiedene Daten als Anhaltspuncte gegeben worden sind, konnte ich richtigere Angaben machen. Aus diesen geht hervor, daß vor meiner Reise in’s Hinterland die Gesellschaft noch nicht bestehen konnte, weil die Mitglieder derselben, mich, Büchner und Trapp ausgenommen, damals im Arrest saßen. Den Minnigerode kannte ich damals noch nicht. Als die Gefangenen in Friedberg frei wurden, vertheidigte Büchner seine politischen Ansichten, die er in der Flugschrift ausgesprochen hat und sagte, daß auch wir uns einmal in ähnlichen Flugschriften versuchen sollten. Da die Flugschrift nach ihrer Abfassung noch lange in Gießen lag und ich früher glaubte, daß meine Reise in’s Hinterland zu einer weit späteren Zeit Statt gefunden habe, <Am Rand: Bei’m Vorlesen: Wahrscheinlich habe ich früher meine zweite Reise in’s Hinterland mit der ersten verwechselt. v.u.g. Begl. F. Noellner. C. Müller.> so habe ich geglaubt, daß Alles dieß’ vor meiner Abreise in’s Hinterland Statt gefunden habe und ich wurde in dieser Meinung bestärkt, weil ich als zuverlässig wußte, daß Büchner die Flugschrift während meiner Abwesenheit verfaßt habe.

v. u. g.

Q. 345.

Sind Versuche von andern Gesellschaftsmitgliedern in Folge der vorhin erwähnten Aufforderung des Büchner wirklich gemacht worden.

R. Herrmann Trapp hatte eine, dem Landboten ähnliche Schrift verfaßt, die, wenn ich nicht irre, eine Zeitlang bei Clemm versteckt war und dann, weil wir ihren Inhalt nicht billigten, verbrannt worden ist. Auch hat einmal, während ich grade abwesend war, ein Manuscript, das Dr. Eichelberg verfaßt und an Clemm geschickt hatte, unter meinen Freunden circulirt. Ich habe es nicht selber gelesen, weil es wieder nach Marburg zurückgeschickt war, als ich nach Gießen zurückkehrte. Es war jedenfalls im Sommer 1834. Das Manuscript soll sehr lächerlichen Inhalts gewesen und darin vorgekommen seyn, Christus sey auch ein Feuerkopf gewesen. Ich glaube nicht, daß Dr. Eichelberg durch Einen aus unserer Gesellschaft zum Schreiben der Schrift aufgefordert worden ist. Ich kann bei dieser Gelegenheit anführen, daß ich den Eichelberg und Weller erst in diesem Sommer 1834, als ich die Marburger zur Badenburger Versammlung einladen sollte, kennen gelernt habe. Clemm, der die Marburger schon bei Gelegenheit der Umtriebe vor dem Frankfurter Aufruhr kennen gelernt hatte, empfahl mich damals an Weller.

v. u. g.

Q. 346.

Nach Ihren früheren Angaben wurde die Reise des Büchner und Schütz zur Überbringung des Manuscripts zu dem Landboten nach Offenbach in einer Ihrer Versammlungen bestimmt. Auf welche Art wurde dieß’ veranlaßt?

R. Wir hatten, ich weiß nicht, auf welche Weise die Nachricht erhalten, daß das Manuscript jetzt zum Druck fertig sey und daß Weidig verlange, wir sollten es nach Offenbachbringen. Ich weiß, daß man mir damals wieder zumuthen wollte, diesen Gang zu machen und daß ich mein auffallendes Aeußere vorschützte, um mich demselben zu entziehen. So kam es dann, daß sich Schütz und Büchner bereit erklärten, den Gang zu machen.

v. u. g.

Q. 347.

Waren Sie zur Zeit, als Büchner und Schütz diese Reise antraten, in Gießen anwesend?

R. Ich wüßte nicht, wo ich anders gewesen seyn sollte, als in Gießen, denn wenn ich etwa den Schütz und Büchner bis Butzbach begleitet hätte, so würde ich dieß’ noch wissen.

Übrigens kann ich mich auch nicht erinnern, daß sie damals Abschied von mir genommen hätten, sowie ich mich überhaupt auch nicht mehr an den Tag der Abreise jener Beiden erinnere.

v. u. g.

Q. 348.

Waren Sie in Gießen anwesend, als jene Beiden von ihrer Reise dahin zurückkehrten?

R. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß ich sie nicht habe ankommen sehen. Ob ich grade in Gießen war, weiß ich nicht.

v. u. g.

Q. 349.

Sie sind bereits früher darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Badenburger Versammlung am 3ten Juli 1834. Statt fand, jedenfalls ein Zeitpunct, welcher in der Nähe der Abreise des Schütz und Büchner liegt. Gibt Ihnen diese Bemerkung nicht Gelegenheit, sich darüber bestimmt zu äußern, ob diese Reise vor oder nach jenem Zeitpunkt Statt gefunden hat.

R. Da ich fast immer um die damalige Zeit bei Büchner schlief und mich nicht erinnern kann, daß er von mir Abschied genommen und sich reisefertig gemacht habe, so wäre es vielleicht möglich, daß ich bei seiner Abreise grade im Hinterland, wohin ich von Marburg aus auf den Tag der Badenburger Versammlung ging und wo ich mich etwa 2–3 Tage aufhielt, – mich befunden habe.

v. u. g.

Q. 350.

Nach sehr glaubwürdiger Versicherung kamen Büchner und Schütz schon gegen Ende Juni 1834. eines Abends zwischen 10–11 Uhr von Gießen nach Butzbach zu Carl Zeuner. Beide trugen Botanisirbüchsen und gingen in Zeuners Begleitung zu Weidig, worauf sie denn von diesem Empfehlungsschreiben und das Manuscript des Landbotenerhielten und noch in derselben Nacht ihre Weiterreise antraten. Vielleicht dient dieß’, Ihre Rückerinnerung an die fraglichen Thatsachen zu schärfen!

R. Durch den mir vorgehaltenen Umstand fällt mir ein, daß Büchner und Schütz die Reise nach Offenbach am Abend angetreten haben. Es scheint mir so, als wisse ich dieß aus eigener Beobachtung. Wäre dieß der Fall, so wäre meine in der vorigen Antwort ausgesprochene Vermuthung unrichtig. Ob die Reise zu Ende Juni Statt gefunden, kann ich nicht mehr sagen.

v. u. g.

Q. 351.

Waren Sie vielleicht in Butzbach anwesend, als Schütz und Büchner von Offenbach zurückkamen?

R. Nein, ich habe den Büchner zuerst in Gießen nach seiner Rückkehr wiedergesprochen, wo er mir von der gastfreundschaftlichen Aufnahme, die er in Offenbach gefunden, erzählte.

v. u. g.

Q. 352.

Geben Sie, so genau, wie möglich, an, was Sie von dieser Reise erfahren haben!

R. Büchner hat mir nicht erzählt, daß er bei dieser Reise einen außergewöhnlichen Weg – hinoder zurück – eingeschlagen habe, noch auch, daß er, außer seinem freundlichen Wirth in Offenbach, der in einem sehr hübschen Haus wohne, welches in einem Garten stehe, mit noch Jemanden gesprochen habe. – Es fällt mir jetzt doch als gewiß ein, daß er mit Student August Groos, wenn ich nicht ganz irre, in Offenbach damals zusammen gekommen ist. Dieser Umstand erinnert mich weiter daran, daß wir in einer unserer Versammlungen beschlossen haben, auch den Studenten Groos mit unseren Planen bekannt zu machen. Dieß’ ist wahrscheinlich auch damals durch Büchner und Schütz geschehen. Daß mit Student Müller ein Aehnliches vorgenommen werden sollte, ist eben so gewiß; ob dieser aber damals ebenfalls in Offenbach gewesen ist oder später bei der Reise des Schütz und Minnigerode, kann ich nicht sagen; ich erinnere mich nicht, den Büchner von Müller sprechen gehört zu haben. –

Den Namen des erwähnten Wirths in Offenbach hat mir Büchner wohl genannt, ich kann aberjetzt nur darum, weil ich die Localitäten später selbst kennen gelernt habe, vermuthen, daß es Hausmann gewesen sey.

v. u. g.

Q. 353.

Wohin ist später das Manuscript des Landboten in Offenbach gekommen?

R. Ich glaube nicht, daß ich den Büchner hierüber jemals ausgefragt habe; ich begnügte mich schon damit, als er mir sagte, die Sache sey besorgt. Als ich später bei Hausmann in Offenbach war, habe ich über diesen Gegenstand nicht gesprochen und also über das Manuscript, das ich nie wieder gesehen habe, nichts erfahren. Übrigens habe ich, wenn ich nicht irre, von Weidig gehört, daß der Druck der Flugschriften durch die Breda’sche Buchhandlung besorgt worden ist.

v. u. g.

Q. 354.

Auf welche Kosten wurde der Druck der Flugschriften besorgt?

R. Ich glaube mit Bestimmtheit sagen zu können, daß zu Gießen und Butzbach dazu kein Geld gegeben worden ist. Ich habe immergeglaubt, daß die Kosten von den Offenbachern bestritten worden seyen.

v. u. g.

Q. 355.

Hatten damals Büchner und Schütz schon Bekannte in Frankfurt und Rödelheim?

R. Büchner kannte, soviel ich weiß, weder in Frankfurt noch in Rödelheim bei dieser Sache Betheiligte. Was den Schütz betrifft, so weiß ich nicht, ob er den Schmall schon vor seiner Flucht gekannt hat.

v. u. g.

Q. 356.

Wie kam es, daß der Druck des Landboten in Offenbach um mehrere Wochen verzögert wurde?

R. Darüber kann ich keine Auskunft geben.

v. u. g.

Q. 357.

Sie sagten früher, man habe mit Ungeduld dem Druck des Landboten entgegen gesehen. Ist irgend etwas geschehen, um den Druck zu beschleunigen?

R. Ich weiß davon nichts.

v. u. g.

Überlieferung
Handschrift: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., Criminalia, Nr. 11778, fol. 98–105; Druck: MBA II.2, S. 92–97.