3. September 1833. Von Eugène Boeckel (und Adolph Stöber ) nach Darmstadt
Straßburg d. 3ten Sept. 33.
Endlich mein Lieber ergreiffe ich die Feder um Dir zu schreiben[,] entschuldigen will ich mich nicht Du kennst meine Schwachheiten zu gut; ich denke il vaut mieux tard que jamais.
Deine beyden Briefe erhielt ich richtig u. ersehe daraus daß Du mehr arbeitest als ich, Du weißt wie viel Zeit mir das Balbiren wegnimmt, so daß ich beynah verzweifeln muß zu einer ordentlich. wißenschaftlichen Bildung zu gelangen, indeßen denke ich auch in dieser Hinsicht il vaut mieux tard que jamais, u. gründliche Studien suche ich so viel als möglich bey meiner Lage u. meinem unruhigen Charakter.
Botanique hab ich während dieser Zeit ziemlich betrieben, Du wirst freilich es mir nicht glauben, wenn ich Dir sage daß ich viele Pflanzen analysirt habe nach den descriptions de Decandolle u. nach seinem clavis, freilich hab ich hauptsächlich den Unterschied der Familien studiren müßen, weil ich diesen noch nicht hinlänglich kannte.
In Conradi hab ich die Blut u. Bauchflüße studirt u. die Frakturen in Astley Cooper, Uebersetzung von Froriep. Endlich den Thiers, hist. d. la révolution geendigt. Du weißt daß ich durch Aufzählg. dieser Bücher Dir keines-wegs beweisen will daß ich viel studiert habe.
Stöber Auguste, ist seit 3 Tagen in Oberbronn, nichtsdesto weniger ist seine Adresse, Aug. Stöb. rue d. jeu des enfans No 35. Ich denke ihn in 8 od 14 Tagen zu besuchen.
Ad. Stöber ist seit 8 Tagen hier in Straßburg u. wird hier bleiben bis zu Ende des Oktobers. Er ist auf dem Landgute v. Hr. Reybel in der Ruprechtsau.
Baum arbeitet an seiner Schrift üb. die Methodisten, eine Preisfrage; die Arbeit muß bis Ende Oktobers abgeliefert werden. Der Preis beträgt 3000 fr. Außer ihm concurriren noch Ernst u. Becker. Reuss theilte ich Deinen Brief mit so wie auch Lambossy welcher wirklich in Baden ist. Louis u. Melle sah ich mehrere male während dies. Zeit.
Wie sehr alle u. hauptsächlich wir Eugeniten bedauern daß Du nicht hier bist, brauche ich Dir nicht zu sagen besonders da jezt Adolphe hier sich befindet.
Die These v. Lauth wirst Du durch die Buchhandlung erhalt. haben. Die v. Goupil habe ich selbst nicht u. Lambossy konnte sie mir auch nicht verschaffen. Sein sujet ist: La contraction musculaire, étant donné à considérer les muscles en action, particulièrement dans la station, la progression, le saut etc.
Lauth wurde oft collirt hauptsächlich über Fragen welche auf mecanique u. physique Bezug hatten. Goupil wurde v. d. Jury zum Profeßor proklamirt. Lauth soll die Anatomie chaire erhalten u. Ehrenmann die accouchement chaire nehmen; wenigstens wurde v. d. doyen Caillot dieses Begehren an das ministerium gemacht. Was geschehn wird, zeigt sich mit d. Zeit. Lauth ist seit 14 Tagen in Paris. Wie sehr es ihn kränkt den Sieg nicht davon getragen zu haben kannst Du Dir vorstellen. Alle details des Concours kann ich Dir unmöglich schreiben, es würde zu lange dauern, die Fragen waren über folgende Gegenstände: sur la vue, schriftlich in acht Stunden (séance tenante) eingeliefert. 2. fonctions du foie et d. l. rate frei darüb. gesprochen nach 3 Stunden. etc.
Vulpes ist noch bey Reuss, er läßt Dich vielmal grüßen[.] Apostel Petrus hat seit seiner Abreise noch nicht geschrieben.
Dein Eug. Boeckel
Grüß Gott, lieber Büchner! Ich bin wieder in der Heimath u. athme Elsässerluft; wie sehr hätte michs gefreut, auch Deine Hand wieder zu drücken! Doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, Dich auf diesem Erdenrund wiederzusehen: ich hoffe nach einigen Jahren von meinem ägyptischen Dienst erlöst, ins gelobte Land der Freiheit heimzukehren; dann will ich Deutschland durchwandern u. auch an Deiner Thüre anpochen. Doch vielleicht kommst Du selbst noch früher zu mir. Einstweilen bleiben wir uns jedenfalls treu – mit warmem Bruderhandschlag – Gottbefohlen!
Dein Ad. Stöber.