LZ 1840
Verhörprotokoll Wilhelm Briel über die Gießener Lesegesellschaft, Darmstadt 5. Oktober 1835

Q. 316.

Die Staatsbehörde hat dem UntersuchungsGerichte Acten mitgetheilt, betitelt:

Der Gießer Leseclubb.

Aus diesen Acten und aus Ihrer früheren Erklärung geht Ihre Theilnahme an der befragten Gesellschaft hervor, und ich kann daher von Ihnen wohl hören, welche Zwecke diese Gesellschaft verfolgt und auf welcher Veranlassung ihr Ursprung beruht?

R. Soviel ich weiß circulirte ein Zettel zur Gründung und Theilnahme an einer Gesellschaft, durch welche auch den Bürgern das Lesen der damals erschienenen Zeitschriften vermittelt werden sollte. Auch mir kam der Zettel, nachdem sich schon Viele unterzeichnet hatten, zur Unterzeichnung ins Haus und ich unterzeichnete mich, nahm auch später in der Art daran Theil, daß ich, nachdem die Gesellschaft wirklich zu Stande gekommen, zuweilen, wenn auch höchst selten, zum Lesen der Zeitschriften in dem bestimmten Locale erschien. Von wem die Veranlassung ausgegangen, dessen weiß ich mich nicht bestimmt zu entsinnen, glaube aber, von Professor Vogt und dessen Schwager, dem ausgewanderten Advocaten Follenius. Einen andern Zweck, als das Lesen der Zeitschriften kenne ich nicht.

v.u.g.

Q. 317.

Nach den vorliegenden Aufzeichnungen bestand die Lectüre dieser Gesellschaft hauptsächlich aus Schriften der gesteigertsten Opposition gegen die Regierungen und die Mitglieder gehörten den verschiedenartigsten Ständen an. Sie werden mir wohl die Gründe sagen können, die veranlaßten, daß einer aus so heterogenen Bestandtheilen formirten Gesellschaft grade solche Schriften in Händen gegeben wurden.

R. Ich habe nie, auch bei keinem einzigen Zeitblatte mitgewirkt, wenigstens nicht in der Art, daß grade dieses oder jenes Zeitblatt angeschafft werden sollte. Ich selbst bin, was wohl constatirt werden kann, äußerst selten und in der letzteren Zeit fast gar nicht mehr in das Local der Lesegesellschaft gekommen. Ich habe mich namentlich um die Verwaltung und Organisation dieser Gesellschaft wenigstens in einem sehr niederen Grade bekümmert. Daß grade Schriften der angezogenen Art angeschafft wurden, lag wohl mehr in den damaligen Zeitereignissen, mir wenigstens ist kein besonderer Grund und Zweck, warum grade solche vorzugsweise angeschafft werden sollten, bekannt geworden. Ich weiß mich zwar nicht genau mehr der Organisation der Gesellschaft und des Inhalts der Statuten zu erinnern, glaube aber, daß nur von dem Vorstande die Wahl der Zeitschriften abhing.

v.u.g.

Q. 318.

Es ist gesagt worden, Ricker und Rosenberg, Clemm und Büchner hätten diesem Clubb ebenfalls angehört. Wie verhält es sich damit?

R. Von Ricker und Rosenberg weiß ich es bestimmt, die beiden Andern habe ich damals noch nicht gekannt und weiß daher in dieser Hinsicht nichts anzugeben.

v.u.g.

Überlieferung
H STA Marburg, 266, Obergericht Marburg, Acc. 1871/35, Nr. 20, Vol. V, fol. 113-115 (Prozeß 5, 255-259).

Eingestellt Juni 2017