HL Dok 7.6.
„Protokolle der Deutschen Bundesversammlung vom Jahre 1842“, 23. Sitzung, 25. August 1842, Beilage 6 zu § 254; Frankfurt a. M. Bericht vom 31. Januar 1842

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Erste Abtheilung
Politische Untersuchungen, die älteren Umtriebe betreffend.
I.
Resultate der im Großherzogthum Hessen geführten politischen Untersuchungen
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§. 2.

Neue eingeleitete Untersuchung wider den Mäkler Klein und Schullehrer Grimm.

Seitdem die bei dem hiesigen peinlichen Verhöramte im October 1840 anhängig gewordene Untersuchung wider die Mitglieder des Bundes der Geächteten zu der Entdeckung führte, daß in dem Großherzogthum Hessen eine große Ausbreitung dieses Bundes statt gefunden habe, gewann der Verdacht einer Theilnahme an demselben wider den Mäkler Klein so bedeutend an Consistenz, daß diese Untersuchung mit der zu Darmstadt wider eine größere Anzahl von Mitgliedern der schon genannten Verbindung geführten zusammengezogen werden konnte, bei welcher sie denn auch in einem spätern Abschnitte unsers Vortrags Erwähnung finden wird.

§. 3.

Dagegen haben wir hier einiger anderer Untersuchungen zu gedenken, welche durch die Untersuchung wider die Mitglieder des Bundes der Geächteten zwar veranlaßt wurden, jedoch, als mit denselben nicht connex, selbstständig geführt und abgeurtheilt worden sind.

<7> A. Die eine dieser Untersuchungen ist wider die Mitglieder einer, im Jahre 1834 durch einen nachmals in Frankreich verstorbenen Studenten, Georg Büchner zu Darmstadt, gegründeten geheimen politischen Verbindung, welche sich „die Gesellschaft der Menschenrechte“ nannte, gerichtet. Der als Theilnehmer an dem Bunde der Geächteten zu Darmstadt in Haft und Untersuchung stehende Bäcker Adam Koch, welcher im Jahre 1832 zu Gießen studierte, und daher mit mehreren, später in politische Umtriebe verflochtenen Studenten bekannt war, ging in seinen ausführlichen Bekenntnissen über den Bund der Geächteten und dessen Gedeihen in Darmstadt auf die früheren politischen Umtriebe daselbst zurück und gab auf diese Weise die erste Kunde von jener Büchnerischen Verbindung, so wie überhaupt die erheblichsten Aufschlüsse über dieselbe; von den durch ihn namhaft gemachten Mitgliedern derselben waren mehrere bereits in früheren Jahren landesflüchtig geworden, andere waren, so wie Adam Koch selbst, später in den Bund der Geächteten eingetreten, und nur zwei darunter wurden Gegenstand jener selbstständigen Untersuchung wegen Theilnahme an der Gesellschaft der Menschenrechte, nämlich der Kalbsmetzger Johann Georg Müller und der Schmidmeister Wilhelm Wetzel. Der Stifter dieser Verbindung, Georg Büchner, welcher früher Mitglied der Gesellschaft der Menschenrechte zu Straßburg gewesen seyn und dort deren Grundsätze eingesogen haben soll, wird durch Adam Koch als ein Mann von überwiegendem Geiste und einer hinreißenden Beredsamkeit geschildert: er betrachtete eine republikanische Verfassung als die einzige, der Würde des Menschen angemessene, und stiftete deßhalb eine Verbindung, welche mit der Zeit die Herstellung einer Republik herbeiführen sollte; als Mittel zur Erreichung dieses Zwecks bezeichnete er die Verbreitung von in diesem Sinne verfaßten Flugschriften und die durch diese zu erreichende Einwirkung auf die niederen Volksclassen, indem er der Ansicht war, das materielle Elend des Volks sey es, wo man den revolutionären Hebel der geheimen Presse ansetzen müsse; die aus ihr hervorgegangenen Flugschriften müßten ihre Ueberzeugungsgründe aus der Religion des Volks hernehmen, in den einfachen Bildern und Wendungen des neuen Testaments müsse man die heiligen Rechte der Menschen erklären. Diese Ideen veranlaßten das Erscheinen der Flugschrift „der Hessische Landbote“ (bei deren Abfassung Büchner, bei deren Redaction und Verbreitung der Rector Weidig in Butzbach und der Apotheker Trapp in Friedberg, so wie der Buchhändler Preller in Offenbach und mehrere Andere betheiligt waren), und den später gefaßten, aber nicht realisirten Plan zur Anschaffung einer Handpresse. Die einzelnen Mitglieder der von Büchner gestifteten Gesellschaft verpflichteten sich, neue Mitglieder zu werben; die Gesellschaft sollte aus Sectionen zusammengesetzt werden, davon eine jede zwölf Mitglieder zähle; einer Section sollten die übrigen das Präsidium und die Leitung der Geschäfte übertragen; ehe jedoch die Gesellschaft so weit sich ausgebildet hatte, löste sie sich schon wieder auf. Als Adam Koch im Monat September 1834 durch Büchner in diese Gesellschaft aufgenommen wurde, zählte dieselbe folgende Mitglieder: 1) Büchner, 2) Wiener, 3) Kahlert, 4) Nivergelder, 5) Jacob Koch (älterer Bruder des Adam Koch) – welche sämmtlich zu Gießen studiert hatten –, 6) Kalbsmetzger Müller, 7) Schmidmeister Wetzel. Sie hielt ihre Versammlungen in einem Gartenhause des p. Wetzel am großen Wooge: dort erfolgte auch die Aufnahme des Adam Koch, welche Büchner selbst ohne weitere Förmlichkeiten vollzog, indem er ihm die Erklärung der Menschenrechte vorlas, angeblich wie sie sich in geschichtlichen Werken über die französische Revolution vorfindet und in 13 oder 14 Artikeln abgefaßt, von denen der letzte dahin gelautet habe, „wer sich der Ausübung dieser Rechte widersetzt, übt einen Zwang aus und <8> jedes Mitglied der Gesellschaft verpflichtet sich, alle seine Kräfte an Beseitigung dieses Zwanges zu setzen.“ Diese Artikel, deren Tendenz auf Herbeiführung einer völligen Gleichstellung Aller gerichtet gewesen seyn soll, sieht Adam Koch als die Statuten der Gesellschaft an, erwähnt aber überdieß eines von Büchner selbst verfaßten Aufsatzes, in welchen derselbe seine Grundsätze niedergelegt hatte, und welcher als Constitution der Gesellschaft gelten sollte. Dieser Aufsatz verblieb, als später Büchner flüchtig geworden war, in den Händen des Adam Koch, welcher sich dessen auch zur Belehrung der Mitglieder des Bundes der Geächteten bediente und ihn, als er in die Gefahr von Haft und Untersuchung gerieth, verbrannt haben will, dergestalt, daß derselbe nicht mehr herbeizuschaffen gewesen ist. Nach Aufnahme des Adam Koch in die Büchner’sche Verbindung, hielt diese noch etwa vier oder fünf Versammlungen bis gegen Ende Octobers 1834, und in dieser Zeit wurden noch der Geometer Möser und der Bleichgärtnergehülfe Daniel Mahr durch Büchner der Verbindung zugeführt. Dann geriethen die Versammlungen in’s Stocken, weil von Seiten der Behörden im Großherzogthum Einschreitungen wider verschiedene Theilnehmer an revolutionären Umtrieben erfolgten, welche sich zum Theil auch auf Büchner und Nievergelder erstreckten, und den erstern veranlaßten, im Laufe des Jahrs 1835 nach Frankreich zu entfliehen, wohin sich schon die mehrsten seiner Bekannten begeben hatten. Wenn gleich Adam Koch im Sommer 1835 noch eine Versammlung der noch übrig gebliebenen wenigen Mitglieder der Gesellschaft der Menschenrechte im Wetzel’schen Garten veranlaßte, in welcher selbst noch die Aufnahme eines neuen Mitglieds, nämlich des Geometers Daniel Heß, den Büchner schon vorgeschlagen hatte, statt fand, so hatte doch diese Verbindung mit dem Ausscheiden des Büchner selbst ihre Seele verloren und hörte allmählig auf zu bestehen, ohne förmlich aufgehoben worden zu seyn. In Beziehung zu dieser Verbindung und ihren Zwecken stand es jedoch noch, daß Adam Koch im Winter 1835/36 im Exercieren Unterricht nahm, um, wie er sagt, theils sich zu befähigen, gegen einen auswärtigen Feind des Vaterlandes zu dienen, theils nicht zurückzubleiben, wenn einst die Sache der Freiheit gegen deren inländische Feinde zur Sprache kommen und es dann auf Entscheidung der Waffen ankommen sollte. Die beiden Angeschuldigten, Müller und Wetzel, erkennen ebenfalls an, daß die Verbindung, welcher sie geständlich angehört, von hochverrätherischer Tendenz gewesen sey. Das Großherzogliche Hofgericht zu Darmstadt hat durch Erkenntniß vom 25. August v. J. den p. Müller zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren, – den p. Wetzel zu einer solchen von vier und einem halben Jahr verurtheilt, wegen Theilnahme an dem Verbrechen des Hochverraths durch 1) Mitwissenschaft an dem Bevorstehen des am 3. April 1833 zu Frankfurt am Main zum Ausbruch gekommenen hochverrätherischen Unternehmens, des sogenannten Frankfurter Attentats, und Nichtanzeige dieses wirklich zur Ausführung gekommenen hochverrätherischen Unternehmens; 2) Theilnahme an einer im Herbst 1834 zu Darmstadt unter dem Namen „Gesellschaft der Menschenrechte“ gestifteten hochverrätherischen Verbindung; 3) Begünstigung des wegen Theilnahme an dem Verbrechen des Hochverraths damals in Untersuchung gezogenen und verhafteten Studenten Kriegk durch bei Großherzoglichem Stadtgericht zu Darmstadt am 10. August 1833 gemachte und eidlich bestärkte unwahre Angaben, nach vorausgegangener Verabredung zum Zwecke, um dadurch die Freilassung des Kriegk zu bewirken, endlich – der p. Wetzel – auch 4) Beförderung der Flucht von vier, des Hochverraths beschuldigten Personen. Beide Angeschuldigte sind von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge, in Uebereinstimmung mit dem Gnadenacte vom 7. Januar 1839 (unser Bericht vom 6. Juli 1839, §. 1), begnadigt und darauf am 26. October v. J. der Haft entlassen worden.

<9> B. Die zweite der hier in Rede stehenden Untersuchungen wurde, in Folge der in den Geständnissen des Adam Koch enthaltenen Bezüchtigung der Beförderung der Flucht zweier, wegen Theilnahme an revolutionären Umtrieben von den Behörden verfolgten Studenten, Becker und Braubach, wider den damaligen Studenten und Landtags-Geschwindschreiber, jetzigen Hofgerichts-Secretariats-Accessisten Theodor Kolb zu Darmstadt, geführt, und, da dieser den ihm gemachten Vorwurf unumwunden für richtig erkannte, alsbald abgeschlossen und durch das von dem Hofgericht zu Darmstadt am 25. August v. J. abgefaßte Erkenntniß dahin entschieden, daß der p. Kolb wegen Beherbergung von zwei wegen politischer Verbrechen in Untersuchung gezogenen Flüchtlingen mit achttägigem bürgerlichem Arrest zu belegen.

Überlieferung
Handschrift: Staatsarchiv Wien, Deutsche Akten, Neue Serie, Karton 31; Druck: „Protokolle der Deutschen Bundesversammlung vom Jahre 1842“, 23. Sitzung, 25. Aug. 1842, Beilage 6 zu § 254 (= „Periodischer Uebersichtsbericht der Bundes-Centralbehörde vom 31. Januar 1842 an den in Folge Artikels 28 der Wiener Schlußacte erwählten Bundestags-Ausschuß.“), Beilage S. 6–9 (vgl. MBA II.2, S. 328–332).