LZ 3480
Karl Gutzkow: Erinnerung an die Vorlesung von Danton’s Tod am 21. Februar 1835; vor 1875

[...] Inzwischen wurde ein Bekehrungsversuch zu andern Lebensanschauungen, als die ich fortgesetzt, zugleich in meinem „Literaturblatt“, vertrat, mit mir angeknüpft. Dieser sollte von dem Verfasser einer Correspondenz in der Allgemeinen Zeitung, die damals Aufsehen erregte, kommen. Das Zeichen „Halle“, womit die Briefe versehen waren, ließ lange auf Heinrich Leo schließen [...]. Nur eine gewisse modernbelletristische Färbung im Styl lenkte von der Vermuthung, Leo sei der Urheber, wieder ab. So war ich denn erstaunt, als sich eines Tage Joel Jacoby, mein alter mir von Berlin her befreundeter Königsberger, der immer noch nicht getauft war, als Verfasser enthüllte, mir eine Umkehr meiner Richtung auf’s Dringendste anrieth, hohe Gönnerschaften in Aussicht stellte, die hinter seinem Rücken stünden. Alles das in eigner Person; denn er machte mir in Frankfurt seinen Besuch. Ich erstaunte über seine elegante Erscheinung. In seinem frühern Anzuge, als wir zusammen Hegel’s Encyklopädie studierten, hatte er dem Diogenes in der Tonne geglichen. Eine abstruse, menschenscheue Art hatte er immer. Es wurde mir schwer, ihn mit einem Kreise von Gästen, die ich ihm zu Ehren einlud, wohlthuend zu vermitteln. Wie ich gesinnt war und es bleiben wollte, zeigte eine Vorlesung, die ich den Gästen anzuhören zumuthete. Am selben Tage hatte mir ein Flüchtling, ein Gießener Student, Georg Büchner, aus Straßburg ein Manuscript geschickt. Es war jenes an witzigen Einfällen und charakteristisch wiedergegebenen Momenten der französischen Revolution beachtenswerthe Drama: „Danton’s Tod“. Der gleichfalls anwesende Buchhändler J. D. Sauerländer erbot sich sofort es zu verlegen und schickte dem von allen Mitteln entblößten, von seinem Vater zur Strafe für seine politische Gesinnung sich selbst überlassenen jungen Mann, der später in Zürich ein vielversprechender Physiolog wurde und allzufrühe starb, hundert Gulden als Honorar. Jacoby reiste unverrichteter Sache nach der Schweiz. Er mußte ein Abgesandter des Cabinets Rochow gewesen sein. [...]

Überlieferung
D: Karl Gutzkow: Rückblicke auf mein Leben, Berlin: A. Hofmann 1875, S. 142 f.