LZ 1839
„Statuten der Lesegesellschaft in Giessen“; Gießen Januar 1832

§. 1.

Der Zweck der Gesellschaft ist, durch Lesen politischer und anderer gemeinnütziger periodischer Blätter und Schriften, so wie durch mündliche Besprechung und gegenseitigen Austausch der Ideen und Ansichten, allgemeinere Verbreitung geistiger Ausbildung zu befördern und gegenseitige Annäherung der verschiedenen Stände zu bewirken. Daher sind Spiele jeglicher Art, als diesem Zweck zuwiderlaufend, in den Lokalen der Gesellschaft untersagt.

§. 2.

Mitglieder der Gesellschaft sind die bis zum 15. Januar 1832 zur Bildung der Gesellschaft zusammengetretenen und später aufgenommenen Einwohner von Gießen. Aufnahmsfähig, als ordentliche Mitglieder, sind Gießer Einwohner jeglichen Standes, welche 21 Jahre alt sind, und den erforderlichen Grad von Bildung haben; – als ausserordentliche Mitglieder – Studenten und andere nur für gewisse Zeit sich hier aufhaltende gebildete Personen, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Zahl.

[...]

§. 3.

[...]  Die außerordentlichen Mitglieder zahlen nur 2/3 der Beiträge, welche die ordentlichen Mitglieder entrichten, und eben so wenig Eintrittsgelder. Sie sind aber auch nicht Miteigenthümer des Gesellschaftsvermögens.

§. 4.

Jedes Mitglied ist verbunden:

1) die Statuten und diejenigen Anordnungen zu befolgen, welche von dem Gesellschaftsausschuß mit Zustimmung der Majorität der Gesellschaft zu ihrer Aufrechthaltung und Vollziehung erlassen werden;

2) den jährlichen Beitrag in vierteljähriger Vorauszahlung zu entrichten, dessen Betrag jedes Jahr von dem Gesellschaftsausschuß von neuem bestimmt wird, und sechs Gulden nicht übersteigt. Jedes Mitglied wird die Erhebung dieser Beiträge dem Gesellschaftsdiener möglichst erleichtern.

[...]

 §. 5.

Das Lokal der Lesegesellschaft ist von Vormittags 10 Uhr im Winter, und 8 Uhr im Sommer, bis Abends 10 Uhr täglich geöffnet, und theilt sich in Lesezimmer und Gesellschaftszimmer; letztere sind zur mündlichen Unterhaltung bestimmt. In den Lesezimmern darf weder gegessen, noch getrunken, noch geraucht werden; in denselben darf nicht laut gesprochen und überhaupt nichts gethan werden, was die Lesenden stören könnte. Auf einem Tische befinden sich die zum Excerpiren nothwendigen Schreibmaterialien. Niemand kann mehrere Schriften zu gleicher Zeit zur Hand nehmen. Nach gemachtem Gebrauche wird das Gelesene wieder an eine der dazu bestimmten Stellen gelegt.

§. 6.

Alle Zeitungen, Journale und Bücher bleiben in den Lesezimmern einen Monat lang vom Tage ihrer Ankunft an; werden sogleich Anfangs mit dem Gesellschaftsstempel gezeichnet und von dem Bibliothekar ins tägliche Verzeichniß eingetragen, und müssen während dieses Monats in den Lesezimmern bleiben. Nach Verlauf des Monats werden sie als Theil der Gesellschaftsbibliothek aufgestellt. Jedes Mitglied kann gegen Bescheinigung Schriften aus derselben von dem Bibliothekar auf höchstens 14 Tage erhalten. [...]

[...]

 §. 9.

[...] Ueber die Aufnahme außerordentlicher Mitglieder entscheidet der Ausschuß allein durch Stimmenmehrheit von wenigstens fünf Gliedern.

 §. 10.

Der Austritt außerordentlicher Mitglieder ist an keinen Zeitablauf gebunden.[...]

[...]

Überlieferung
D: Statuten der Lesegesellschaft in Giessen, Gießen: G. D. Brühl 1832. 12 S. (ULB Darmstadt).

Erläuterungen
In der „Lesegesellschaft“ seien 1832 „die Tribüne, der Westbote und viele verbotene Schriften offen gelegt worden“ (GSTA Berlin, Rep. 77, Til. 509, Nr. 7, folg. 115); vgl. Görisch/Mayer 1982, S. 278 f.

Eingestellt: Juni 2017