LZ 1830
Schütz: Constitution der burschenschaftlichen Verbindung
Aus der Einleitung:
Wenn das Vaterland durch die freche Gewalt des Despotismus niedergetreten, seiner Ehre, seiner Freiheit, seiner Kraft beraubt, verlassen von der große Masse seiner Söhne, die theils aus Mangel an Bildung, theils aus Feigheit und Egoismus taub ist für die Klagen, die Seufzer und den Racheruf desselben, – wenn so das Vaterland nahe ist dem fürchterlichsten Untergang, dann ist die erste, die heiligste Pflicht eines Jeden, dem ein Herz für das Land seiner Väter in seinem Busen schlägt, mitzuwirken für die Rettung desselben; der mahnende Ruf ergeht dann an jeden Tüchtigen, fest sich anzuschließen an Gleichgesinnte, um mit vereinten Kräften zu zerreißen die Bande, die das theure Vaterland drücken.
Diesem Rufe folgten wir. Wir gründeten die Burschenschaft, eine Verbindung zum Heile, zur Rettung des Vaterlandes. –
Wenn wir diese Verbindung mit dem Schleier des tiefsten Geheimnisses bedecken, so ist es nicht das Licht der Wahrheit, nicht die Waage der strengen Gerechtigkeit, die wir fürchten, – es ist die natur- und rechtswidrige Gewalt der Unterdrücker unseres Vaterlandes, vor denen wir uns verbergen, damit unsere Thätigkeit nicht gehemmt, unser Bund nicht vernichtet, seine Mitglieder nicht den Söldlingen der Tyrannen überliefert werden. Freudig u. hoffend erwartet die Burschenschaft den Tag, an dem sie offen hervortreten u. vor dem Richterstuhle des Volkes sagen kann: Das sind wir, das wollten wir, das thaten wir! – –
Die Burschenschaft als eine Verbindung, die nach ihren Kräften beitragen will zum Heile, zur Rettung des deutschen Vaterlandes, kann daher nur solche Principien aufstellen, die auch die wahre Grundlage eines freien, glücklichen Zustandes desselben sind. Ihre Principien sind daher: Freiheit und Gleichheit des deutschen Volkes, wahre Einheit des Vaterlandes!
Das wahre Erkennen, das feste Ergreifen und die lebendige Verbreitung dieser heiligen Grundsätze zu befördern, – ist daher die nächste Pflicht der Burschenschaft. Ihr Bestreben ist es daher, vorerst ihre Mitglieder so zu bilden, daß mit der festesten heiligsten Überzeugung ein Jeder sagt und sagen kann: Dies sind meine Grundsätze, durch sie allein hoffe ich Rettung für unser Vaterland, sie zu verbreiten, sey stets mein Bestreben. Muthig und mit glühender Vaterlandsliebe soll derselbe allen Gefahren für seine Überzeugung entgegentreten, und, kommt dereinst der Tag der Entscheidung, entschlossen den Kampf für sie beginnen.
Ist nun auch der politische Zweck die erste Bedingung des Daseyns unserer Verbindung, so kennt dieselbe doch auch noch andere wichtige Pflichten. Je einleuchtender nämlich die Wahrheit ist, daß ohne kräftige, geistige, moralische und körperliche Bildung kein Mensch für etwas Hohes fähig ist, um so mehr ist es Zweck der Verbindung, ihre Mitglieder in steter Thätigkeit für diese völlig harmonische Ausbildung zu erhalten [...].
[§ 1]:
Die Burschenschaft ist eine Verbindung unter Studierenden, deren Zweck es ist, für das Erfassen, die Verbreitung und Realisirung der Ideen: Freiheit, Gleichheit und Einheit Deutschlands zu wirken. – –
[§ 1]:
[...]
[§ 2] Ihrem Wesen nach ist daher ihre Thätigkeit von doppelter Art:
a) sie handelt als politische Verbindung,
b) als Studenten-Verbindung.
[...]
[...]
Der 30te Mai wird stets als der Stiftungstag unserer Verbindung auf eine dem Geiste u. den Zeitverhältnißen angemeßene Art gefeiert werden. Alles Nähere bleibt der Bestimmung der Verbindung überlaßen.
Überlieferung:
H Martin Schäffer: „Vortrag“; Gießen 6. November 1838; UB Gießen, Handschrift 421c fol., p. 95 f.; d1 Görisch/Mayer, S. 338 f.); (Prozeß 34, 95 f.); kleinerer Auszug bei Heer, Geschichte, S. 322.
Erläuterung
Die Konstitution, die vollständig mindestens 170 Paragraphen umfaßte, verzeichnete den 20. Mai 1834 als Gründungstag der Verbindung, ferner einen wichtigen Beschluß vom 19. Juli 1834; vgl. UA an der Universitätsbibliothek Gießen, Allg. L 8, maschinenschriftl. Exzerpt.