LZ 1820
Verhörprotokoll August Becker: Verbindungen in Gießen

Im Herbst 1832 ging ich in den Vogelsberg, ohne der Burschenschaft meinen Austritt anzuzeigen. Als ich von Burkhards aus einst bei Becker in Salzhausen war, hörte ich von einigen anwesenden Gießener Studenten, daß sich die Burschenschaft aufgelößt und daß sich aus derselben die Palatia gebildet habe. Als ich im Herbst 1833 nach Gießen kam, war auch die Palatia aufgelößt. Im Sommer 1834. suchte Schütz aus Mainz aus den Überbleibseln der Palatia eine neue Verbindung zu stiften. Er war hierzu durch ehemalige Pfälzer, unter welchen ich Fillmann, Georg Geilfus, und Nievergelder nennen will, aufgefordert worden. Als unter meinen Freunden die Sache zur Sprache kam, erklärte ich mich heftig dagegen, denn ich hatte meine Ansichten, die ich oben ausgesprochen habe, noch nicht aufgegeben.

Ich warf dem Schütz vor, daß er bei dieser Sache nichts im Sinne habe, als seine Eitelkeit zu nähren, daß bei dem Ganzen nichts herauskommen werde, als einige Relegationen. Zudem lebte ich mit den Pfälze[r]n, den Nievergelder etwa aus genommen, stets in einem Wortstreit. Büchner hatte über diese Leute ein noch ungünstigeres Urtheil, weniger Clemm, am wenigsten Minnigerode. Ich kam einst dazu, als Schütz oder Clemm den Minnigerode zu überreden suchte, der Verbindung beizutreten. Clemm theilte meine Ansichten von der Burschenschaft und erklärte demjenigen, der ihn überreden wollte, daß er weder Zeit, noch Lust habe, einer solchen Verbindung beizutreten. Ich wurde aufgefordert, meine Meinung zu sagen und vertheidigte den Vorsatz des Clemm mit allen mir zu Gebot stehenden Gründen. – Später, als Schütz entflohen und Minnigerode arretirt war, brachte einmal Clemm eine ganze Schaar ehemaliger Pfälzer auf die Stube des Sartorius, um sich über den Plan, den Minnigerode gewaltsam aus dem Carcer zu befreien, zu berathen. Ich widersetzte mich ihrem Vorhaben. Hier auf der Stube des Sartorius und später auch auf der des Wiener, wo ich zufällig mehrere der genannten Pfälzer antraf, war nun auch die Rede von einer Constitution. Sie sollte hinter einem Schranke versteckt seyn. Man glaubte nicht, daß sie vom Gericht dort gefunden worden sey und hatte die Absicht, durch ein Fenster in die Stube des Schütz zu steigen und so die Constitution zu entfernen. Sollte vom Gericht letzter[e] gefunden worden seyn, worüber man jedoch nichts wußte, dann wollte Student Jungk, der sie nach einem Manuscript des Schütz abgeschrieben haben wollte, sagen, daß er diese Schrift um Geld verfertigt habe. Ich selber habe diese Constitution nie gesehen und wunderte mich damals, daß Schütz schon soweit mit der Gründung der Burschenschaft vorgeschritten sey. –

Ungefähr anderthalb Monate vor der Arrestation Minnigerodes war zuerst die Rede von der zu errichtenden Burschenschaft. Nimmt man nun an, daß die Verfassung der Constitution den Schütz eine geraume Zeit beschäftigte (denn Schütz dürfte wohl gewiß die Constitution verfaßt haben, da kein Anderer, etwa den Minnigerode ausgenommen, die Fähigkeiten dazu besaß) dann kann man diese erwähnte Verbindung als in ihrem Entstehen begriffen und noch nicht als wirklich gegründet betrachten. Ich glaube z. B. nicht, daß jemals eine Versammlung gehalten worden ist, da ich dieß’ sonst vielleicht erfahren hätte.

Überlieferung:
Institut für Stadgeschichte Frankfurt a.M., Acta criminalia 1834, Nr. 94, Pack 807, Vol. E (5c), fol. 119-121 (Prozeß 1, 309-313).

Eingestellt Juni 2017