HL Dok 6.2.10.
„Protokolle der Deutschen Bundesversammlung vom Jahre 1839“, 21. Sitzung,
16. September 1839, Beilage 3 zu § 282; Frankfurt a. M. Bericht vom 26. Juli 1838
§ 19.
Complott zur Befreiung der Gefangenen in Friedberg.
Bald nach Minnigerode’s Verhaftung entstand der nach und nach immer weiter bis zum Complott ausgebildete, und erst im vollen Frühjahr 1835 aufgegebene Gedanke, ihn und andere Friedberger Gefangene, namentlich Gladbach und Zeuner zu befreien. Auch dieß Complott gibt erhebliche Winke in Betreff der später in Frankfurt gelungenen. Es sollte nicht durch Gewalt geschehen. Die wachthabenden Soldaten sollten gewonnen, durch sie die Gefängnisse geöffnet werden, während der Gefangenwärter in Folge Schlaftrunks unthätig sey; die Befreiten sollten sich an einem Seile aus dem ersten Stockwerke herablassen, und einen Wagen zur Flucht finden. Die Furcht vor Geständnissen der Verhafteten hat den Plan gereift.
Die Soldaten Laurent und Rübsamen sind wirklich gewonnen worden, jener erhielt, wie er gesteht, nach und nach drei, von dem verstorbenen Candidaten Weyprecht verschaffte Schlüssel, von denen der letztere Minnigerode’s Gefängniß schloß; er erhielt ferner mittelbar für den Gefangenwärter ein Fläschchen Opium, und zwar von dem Apothekergehülfen Frölich. Dr. Schmall versprach, geständlich, in seinem Wagen die Befreiten bis Höchst oder Hattersheim zu bringen, und nahm mit Pfarrer Flick, von dem er sie abholen sollte, Abrede. Auch der weitere Weg war vorbereitet. Dr. Schmall gab dem Flach, so sagt dieser aus, einen Brief in Bezug auf diese Sache an den Heck in Oppenheim, und nach Kalbfleisch allgemeinerer und Braubach’s bestimmterer Angabe, machte Rübsamen am Himmelfahrtstage 1835 eine Reise, um in Hinsicht auf die Angelegenheit Laurent, Pfarrer Textor in Großgerau, um den Obergerichtsboten Heck in Oppenheim von Clemm’s Geständnissen in Kenntniß zu setzen. Braubach setzt hinzu, er könne von dem Heck vermuthen, daß er mehreren Flüchtlingen durchgeholfen habe. Es geschahen Schritte zur Beschaffung von Pässen: Flach gesteht, daß er dem Dr. Leisler in Höchst die Signalements Minnigerode’s, Zeuner’s und Laurent’s mit einem Zettel Schmall’s zu diesem Zwecke übergeben, und daß Leisler ihm erwiedert habe, er werde, sobald als möglich dafür Sorge tragen. Bei einer späteren Nachfrage, Anfangs 1835, habe Leisler erklärt, die Pässe seien noch nicht fertig, er wolle nächstens selbst nach Wiesbaden reiten, um zu sehen, wie es mit ihnen stehe. Endlich führt er eine Aeußerung Leisler’s an, in Wiesbaden müsse man etwas von der Sache gemerkt haben, weil die zur Fertigung der Pässe nöthigen Sachen weggethan worden seyen. Auch Schmall gibt zu, daß er mit Advocat Leisler wegen der zu verschaffenden Pässe gesprochen habe, behauptet aber – was nach Flach’s speciellen Angaben sehr unwahrscheinlich ist – dieser habe das Anmuthen unwillig abgelehnt. Endlich fehlte es auch nicht an Geld: die unverehelichte Caroline Fischer, eine Anverwandtin Minnigerode’s, zahlte dem Clemm zu diesem Zwecke, nach seiner Angabe, 300 Gulden, welche Weyprecht in Verwahrung nahm, und Stud. Rosenstiel schickte demselben aus Darmstadt 150 Gulden. Clemm, der dies, in Betreff der ersteren Summe, unter Bescheinigung durch Documente bekundet, setzt hinzu, nach Weyprecht’s Aeusserung habe Staatsrath Jaup durch seinen Schwager Dr. Bansa ihnen sagen lassen, ‚es solle an Geld nicht fehlen, wenn Minnigerode befreit würde.’ Flach endlich ist, wie er gesteht, in Darmstadt bei einem Advocaten gewesen; dieser hat ihm, eines erhaltenen Auftrags erwähnend, gesagt, auf die Nachricht von Minnigerode’s und Zeuner’s Befreiung würden 600 Gulden bereit seyn.
Dieß Project, in Betreff dessen Flick und Weidig bei Wilhelmi in Nauheim eine Zusammenkunft hatten, und das eine große Menge von Mitwissern zählte (der ganze Verein in Butzbach vom Frühjahr 1832 wußte darum), wurde aufgegeben, weil, nach einer getroffenen Anordnung, die Soldaten nicht mehr vor die Gefängnisse gelangen konnten, und daraus auf Verrath geschlossen wurde.
Überlieferung
Druck: „Protokolle der Deutschen Bundesversammlung vom Jahre 1839“,
21. Sitzung, 16. Sept. 1839, Beilage 3 zu § 282 (= “Bericht
der in Folge Bundesbeschlusses vom 20. Juni 1833 ernannten
Bundes-Centralbehörde vom 26. Juli 1838 an den in Folge Art. 28 der
Wiener Schlußacte erwählten Bundestags-Ausschuß <…>.“), S. 709–776,
hier: S. 750 f. (vgl. MBA II. 2, S. 291–293).