HL Dok 5.1.4.
Verhörprotokoll Gustav Clemm; Darmstadt 9. Oktober 1835

Clemm bestätigt vorher seine Anwesenheit bei einem Treffen mit Eichelberg und Weidig in Marburg Ende September 1834.

Qu. 182.
Es will Ihnen Dr Eichelberg damals Einiges von seinen Ansichten über den Heßischen Landboten erklärt haben. Wie ist es damit?

R. Das ist wahrscheinlich, daß wir darüber gesprochen haben und daß Eichelberg sich auch über den Heßischen Landboten und seine Ansichten ausgelaßen hat.

v. u. g.

Qu. 183.
In welcher Richtung geschah dieß von Eichelberg?

R. Ich weiß nicht anders, als daß der Eichelberg stets sein Einverständniß mit deLandboten und seiner Wirkungausgesprochen hat.

v. u. g.

Qu. 184.
Im Gegentheil, der Dr Eichelberg stellt andere Behauptungen auf, und will das Erscheinen des Landboten Ihnen entgegen damals in scharfen Zügen mißbilligt haben. Erklären Sie sich.

R. Das ist durchaus unwahr, der Landbote war ja auch ganz so verfaßt, wie die Principien besagten, die man in der Badenburger Versammlung als Norm annahm, und dann frage ich, wie er sein Produkt, jenes Manuscript nemlich, betitelt:

Heßischer Landbote,
zweyte Botschaft

und dann seine Thätigkeit für den 2.n Abdruk des Heßischen Landboten 1.e Botschaft, der den doch hauptsächlich aus seiner Thätigkeit hervorgieng mit jener angeblichen Mißbilligung in Einklang zu bringen gedenkt.

v. u. g.

Qu. 185.
Er will Ihnen gesagt haben der Inhalt des Landboten sey in keiner Weise zu rechtfertigen und dem ursprünglich gefaßten Zwecke schnurstraks entgegen. Derselbe predige vollständige Anarchie, fordere zu allgemeiner Zügel und Gesetzlosigkeit auf, während doch grade Ihre Vereinigung bezwecke, der Willkührherrschaft Einzeler entgegen zu treten.

R. Dieß Alles ist offenbare Erdichtung, der Landbote kam dem Eichelberg sowenig als den andern Marburgern unerwartet, und konnte ihnen nicht unerwartet kommen, denn der Abdruk dieser Schrift wurde ja schon in der Badenburger Versammlung besprochen. Er drükte vielmehr ausdrüklich seine Hoffnungen von dem günstigen Erfolge dieses Blattes bei mir aus.

v. u. g.

Qu. 186.
Er will Ihnen weiter vorgestellt haben, eine solche Wirksamkeit, wie sie durch den Landboten geäußert werde, müße grade die Claße des Volkes, um die es am ersten zu thun, nemlich die Eigenthumsbesitzer und Gewerbtreibenden entfremden, und sie der Parthie, die sie zu bekämpfen gesonnen, in die Arme führen. Blätter, wie der Landbote könnten nur für die Proletärier sein, und deren bedürfe es nicht, wenn man durch Leztere eine künstliche Revolution erregen wolle. Was sagen Sie hierzu?

R. Dem ist Allem nicht so. Wir haben allerdings mit Verwunderung davon gesprochen, daß sich bei Leuten aus der gebildeten Klaße, und die überdieß zu der liberalen Parthie gehörten hie und da Mißbilligungen über den Landboten äußern könnten. Eichelberg hielt dieß für gleichgültig, grade weil der Landbote für Gebildete nicht, sondern für die Bauern bestimmt sey, und er sprach selbst von der guten Wirkung, die der Landbote unter den Curheßischen Bauern der Umgegend schon erzeugt habe. Er meinte, die habe man schon am Schnürchen.

v. u. g.

Qu. 187.
Der Dr Eichelberg will Ihnen vorgestellt haben, daß solche Blätter nur auf einen Kampf der Armuth gegen den Reichthum hinarbeiteten, und wenn man geneigt sey, auf der betretenen Weise fort zu fahren, so müße er aller weiteren Thätigkeit entsagen. Wie verhält es sich hiermit?

R. Davon ist allerdings die Rede gewesen, aber in folgender Weise: In dem ersten Concepte zum Landboten war von dem Kampfe der Armen gegen die Reichen die Rede. Dieß fanden viele anstößig, namentlich auch Eichelberg und Dr Weidig, denn man meinte, dieser Ausdruk werde die Wirkung stören, weil selbst in jedem Dörfchen der Unterschied zwischen arm und reich bestehe, man müße darum statt „Reichen“ sagen: „die Vornehmen“ und dieser Ausdruk ist, so viel ich mich erinnere auch bei dem spätern Abdruk vorgezogen worden. In diesem und in keinem andern Sinne hat sich Dr Eichelberg geäußert.

v. u. g.

Qu. 188.
Dr Eichelberg giebt weiter an, daß während er in der angegebenen Art mißbilligend sich gegen Sie ausgesprochen, Dr Weidig hinzugekommen sey, und dieser habe ihm, wie es geschienen, beigestimmt und Ihnen Vorwürfe gemacht.

Wie verhält es sich damit?

R. Das ist rein lächerlich, denn der Landbote ist ja, wie ich schon früher angegeben habe, in der von Dr Weidig erfolgten Bearbeitung zum Druke gekommen und erschienen. Ich stelle das Gesagte also in Abrede.

v. u. g.

Qu. 189.
Es will Dr Eichelberg weiter behaupten, in der damals bei ihm stattgehabten Besprechung sey der Landbote lediglich als ein Product der Gießener Studenten ausgegeben worden, und Sie hätten Ihre Theilnahme an der Abfaßung deßelben nicht unzweideutig erklärt. Aeußern Sie sich hierüber.

R. Das ist ebenfalls erlogen ich habe schon früher angegeben, daß der erste Entwurf zu dem Landboten und zwar zu einer Zeit von dem Studenten Büchner verfaßt worden sey, in der ich mich noch in der Haft zu Friedberg befand.

Ich habe oben weiter erwähnt, daß von dem Vorhaben, den Landboten druken und verbreiten zu wollen, in der Badenburger Versammlung bestimmt die Rede gewesen sey und daß er so dem Druk übergeben werden solle, wie ihn Weidig bearbeitet habe. Ich bin bei der Abfaßung durchaus unthätig und nur Mitwißer gewesen, und es ist durchaus unwahr, daß bei jener Besprechung zwischen Eichelberg, Weidig u. mir in Marburg der Landbote lediglich als ein Product der Gießner Studenten ausgegeben, und von meiner Miturheberschaft die Rede gewesen sey.

v. u. g.

Anschließend bestätigt Clemm noch im Wesentlichen die Unterredungen wegen des Ankaufs einer Druckerpresse in Darmstadt.

Überlieferung
Handschrift: Staatsarchiv Ludwigsburg, E 319, Bü 46, Qu. 55, Lit. C, fol. 46–50; Druck: MBA II.2, S. 246–249.