HL Dok 5.1.3.
Verhörprotokoll Gustav Clemm; Darmstadt 8. Oktober 1835
Es ist mir inzwischen eingefallen, daß die Marburger eine Art Fortsetzung des Heßischen Landboten verfaßt hatten. Bekanntlich war in der Badenburger Versammlung beschloßen worden, daß in den einzelnen Nachbarstaaten gleichzeitig revolutionäre Flugschriften verbreitet werden sollten, in denen der Stoff benuzt sey, den das Verhältniß des einzelnen Staats grade biete. Jenes von den Marburgern verfaßte Manuscript sollte ein Product der Art seyn, und es ist solches auch zur Einsicht nach Gießen und hier vor meine Augen gekommen. Ob nun dieses v. von Stokhaußen gebracht wurde, weiß ich mich nicht mehr zu erinnern. Es enthielt allerdings auch eine revolutionäre Aufforderung, aber so sonderbare Tiraden, daß es bei uns allgemeines Lachen erregte, und die Meinung begründete, man werde sich blamiren, wenn es zum Druke komme. Ich erinnere mich noch einiger Redefiguren dieses Manuscripts. Es war darinn gesagt: der große Comet werde ehestens erscheinen, und das Volk solle nicht abwarten, bis der Welturzeiger von selbst auf die Stunde der Revolution hinzeige, sondern es solle diesen Weltuhrzeiger gewaltsam auf die Stunde hinlenken, und hierzu solle der Comet eine Aufforderung seyn.
Auch kam der Herr Jesus Christus öfters darinn vor, und von ihm wurde gesagt, er sey auch ein Feuerkopf und Revolutionär gewesen. Da wir Gießner dieses Machwerk belachten, und vom Abdruke nichts wißen wollten, so entstand ein Schmollen bey den Marburgern und eine gewiße Spannung mit uns, die am Ende Dr Weidig, an den jenes Manuscript auch gekommen ist, wieder auszugleichen suchte, der sich, wie ich gehört habe, zur Versöhnung erboten hat, an dasselbe einige Zusätze und Abänderungen zu fügen. Das Manuscript hatte den Titel:
Heßischer Landbote, 2.te Botschaft.
Advokat Briel hat dieses Manuscript lange in Händen gehabt, und selbst über seinen Inhalt mit mir gesprochen, durch wen er es erhalten, weiß ich nicht, es wäre allerdings möglich, daß er es von v. Stokhaußen gebracht erhalten habe, als derselbe im Sommer v. Js. in Gießen war.
Überlieferung
Handschrift 1: Staatsarchiv Ludwigsburg, E 319, Bü 46, Qu. 55, Lit. C, fol. 30 f.; Handschrift 2: Staatsarchiv Marburg, 266 Marburg, Nr. 35, fol. 21 f.; Druck: MBA II.2, S. 246.