HL Dok 2.4.9.
Leopold Eichelberg: „Nachtrag zum Jordan’schen Criminalproceß“; Frankfurt a. M. 1853

<57> Dr. Heß und ich traten nun, namentlich vom Herbste 1833 an, in immer fleißigern Verkehr mit Jordan und da dieser regelmäßiger mit uns zusammenzukommen wünschte, so errichteten wir sogar, in Verbindung mit einem heute noch in Hessen lebenden Dritten, mit dem er ebenfalls in sehr befreundetem Verhältnisse stand, ihm zu Gefallen ein sogenanntes Theekränzchen . Dennoch <58> erfuhren wir lange nichts darüber, ob er mit auswärtigen Revolutionären noch in Verbindung stehe. Erst im Frühjahr 1834 erhielten wir Anlaß zunächst zu der Vermuthung, daß dieß der Fall seyn müsse; denn um diese Zeit machte er uns einmal die Mittheilung, daß ihm von Außen mehrere Hundert Loose zu einer im Interesse von Flüchtigen veranstalteten Lotterie zugegangen seyen, um sie bei Gesinnungsgenossen unterzubringen,und verband damit den Wunsch, wir möchten ihm bei Unterbringung der Loose behülflich seyn.Bald darauf aber sollten wir volle Gewißheit über seinen fortdauernden Verkehr mit der revolutionären Partei erhalten.

Es war nämlich wenige Tage vor Pfingsten 1834, als er den Dr. Heß und mich aufsuchte, um uns mitzutheilen, daß er von Freunden, die er im Darmstädtischen habe, angegangen worden sey, dazu beizutragen, daß ein Preßverein zu Stande komme, dessen Zweck sey, die Patrioten Kurhessens, Hessendarmstadts und einiger angränzender Ländchen in bleibender Verbindung zu erhalten und zugleich das Volk, das, wie man sehe, noch zu wenig unterrichtet sey, über das, was Noth thue, gründlich zu belehren. Er habe, sagte er weiter, hierauf erwiedert, daß er für seine Person an einem solchen Preßverein sich zu betheiligen bereit sey, jedoch am hiesigen Orte dafür nichts Anderes thun könne, als mit zweien seiner hiesigen Freunde sprechen, die wohl nicht abgeneigt seyn dürften, die Sache für Marburg in die Hand zu nehmen. Diese Freunde nun,schloß er, seyen wir. Dr. Heß und ich ermangelten nun auch nicht, unsere Bereitwilligkeit zu erklären und bemerkten zugleich, daß, da wir ohnehin Willens seyen, an einem der Pfingstfeiertage eine kleine Tour nach Gießen zu machen, wir ja bei dieser Gelegenheit schon eine erste Besprechung über das Project mit jenen <59> Darmstädt. Freunden haben könnten. Dieß ergriff er, um sich mit uns dahin zu verständigen, daß wir dann in Gießen den Dr. Hundeshagen aufsuchen sollten, den er am Pfingstsonnabend, wo er über Gießen nach Wetzlar reisen werde, mündlich von unserm Kommen benachrichtigen wolle.

Wir begaben uns daher am sogen. dritten Feiertage, sobald wir in Gießen angelangt waren, zu Dr. Hundeshagen,der uns mit den Worten empfing, er habe uns schon den Tag vorher erwartet. Natürlich wurde die Sache sogleich verhandelt; eine weitere, noch mehr auf den Gegenstand eingehende Unterredung aber, behufs welcher Dr. Hundeshagen in Begleitung des Buchhändler Ricker und des Hofgerichtsadvocaten Briel bei uns im Gasthaus erschien, fand dann noch am Nachmittage Statt. Wenige Tage später erhielten wir von Hundeshagen eine briefliche Einladung zu einer abermaligen Besprechung in Gießen; da wir aber Beide verhindert waren, an dem dazu bestimmten Tage nach Gießen zu reisen, suchte uns einige Tage naher Weidig in Marburg auf.

Derselbe kam zuerst Morgens um 10 Uhr zu mir und bemerkte gleich beim Eintreten, daß er schon bei Jordan gewesen sey, von diesem auch meine Wohnung erfahren habe. Da ich gerade im Begriff war, einen unaufschiebbaren Ausgang zu machen, bat ich ihn, nach kurzem Wortaustausche, Mittags bei mir zu essen oder, wenn er zu Mittag bereits versagt seyn sollte, gleich nach Tisch wieder zu kommen, wo er unfehlbar auch den Dr. Heß bei mir treffen solle. Weidig lehnte die Einladung zum Essen unter dem Vorgeben ab, um diese Zeit noch einen andern Gang machen zu müssen, kehrte aber gegen zwei Uhr zurück, ohne daß ich indessen von ihm erfuhr, ob und wo er zu Mittag gegessen. Es fand nun zwischen ihm, Heß,mir und dem später noch hinzugekommenenv. Breidenbach eine nochmalige Verhandlung über den zu errichtenden Preßverein Statt, und nachdem schließlich die Verabredung getroffen war, in einer demnächstigen größeren Zusammenkunft die Gründung vorzunehmen, entfernte sich Weidig mit dem Ersuchen, ich möge ihn nach einiger Zeit bei Jordan,den er noch einmal zu besuchen versprochen habe, abholen und eine Strecke seines Rückwegs begleiten. Ich folgte ihm auch alsbald und nach kurzem Verweilen bei <60> Jordan begaben wir uns auf dessen Wunsch eben so nacheinander wieder weg, wie wir nacheinander gekommen waren.

Ungefähr 14 Tage nachher erschien Aug. Becker bei mir, um mich im Auftrage Weidigs zu der verabredeten größeren Zusammenkunft auf die Badenburg einzuladen. Derselbe erwähnte gleich, daß er schon bei Jordan gewesen sey und gerades Weges von ihm zu mir komme. Es habe dieser jedoch erklärt, er seinerseits könne nicht auf die Badenburg kommen, weil er zu sehr beobachtet werde. Zugleich beklagte sich Becker über das kurze Benehmen, das Jordan gegen ihn an den Tag gelegt habe. Aber auch dieser suchte mich noch an demselben Abend auf, um mir sein Erstaunen auszudrücken, daß ihn Weidig, dem er doch gesagt habe, daß er sich bei dem Preßverein nicht zu weit voran stellen dürfe, nichts desto weniger zu einer zahlreichen Zusammenkunft einladen lasse, und das noch obendrein durch einen besondern Abgesandten in so auffallender Kleidung; er wünsche daher auch, daß ich Weidig hierüber auf der Badenburg Vorstellungen mache.

Die Zusammenkunft auf der Badenburg fand am 3. Juli Statt. Zwei bis drei Wochen später wurden wir von Gießen aus durch einen Expressen aufgefordert, zu den nöthigen Reisegeldern für einen Stud. Schütz beizusteuern, der im Zusammenhange mit der eben erfolgten Arrestation eines Stud. Minigerode habe flüchtig werden müssen. Es waren zu der Zeit in Marburg vorerst nur Wenige, die man um eine Beisteuer angehen konnte und so durfte gewiß keiner von diesen übergangen werden. Ich wandte mich daher auch an Jordan,werde aber nie vergessen, mit welchem Gebahren er mein Anliegen aufnahm. Wahrscheinlich entging ihm mein Befremden hierüber nicht und dieß mochte ihn bewogen haben, nach und nach, wiewohl mit sichtlichem Widerstreben, drei Sechsbätzner aus dem Beutel zu holen. Ich war wirklich zweifelhaft, ob ich sie nicht zurückweisen sollte. Ich nahm sie aber endlich doch, obschon <61> nur deshalb, um aus dieser Veranlassung keinen Bruch herbeizuführen. – Nicht lange danach kamen Dr. Heß und ich zu Bellnhausen mit den Hofgerichtsadvocaten Briel und Rosenberg aus Gießen zusammen und erhielten bei dieser Zusammenkunft von denselben einige Exemplare des kurz vorher gedruckten „Hessischen Landboten“. Nach unserer Rückkehr theilten wir Jordan ein Exemplar mit, welcher nach genommener Einsicht die rein destructive Tendenz dieses Blattes scharf tadelte und äußerte, daß mit solchen Blättern in jeglicher Hinsicht nur geschadet werden könne.

Im Zusammenhange mit der Arrestation des Stud. Minnigerode ging auch die bisherige Gelegenheit der Benutzung einer Druckerpresse verloren und trat dadurch ein Stillstand in der Thätigkeit der geheimen Presse ein. Zu Ende des Septembers kamen daher Weidig von Obergleen und der Stud. Gustav Clemm von Gießen aus nach Marburg, um mit den an diesem Orte Betheiligten sich zu berathen, wie eine andere Gelegenheit für den Druck der zu verbreitenden Schriften zu beschaffen sey. Das Resultat dieser Berathung war, daß ich versprach, in Marburg eine solche Gelegenheit zu ermitteln; zugleich machte ich aber auch Weidig und Clemm darauf aufmerksam, wie wenig wir Marburger, insbesondere Jordan,mit der Richtung einverstanden seyen, welche in dem Blatte, bei dessen Besorgung Minnigerode arretirt worden war, dem hessischen Landboten, hervortrete, und daß wir es als eine unerläßliche Bedingung des weiteren Zusammengehens betrachteten, in den vom Preßverein ausgehenden Flugschriften eine solche Richtung einzuhalten, welche man nöthigenfalls auch vor den Gerichten verantworten könne.

Es gelang wirklich, in Marburg eine Presse ausfindig zu machen, und Jordan übernahm es, in dem ersten für dieselbe bestimmten Blatte die Richtung zu bezeichnen, welche wir Marburger allein befolgt sehen wollten.

Weidig wurde von Beidem durch Breidenbach in Kenntniß gesetzt; er erklärte sich gegen diesen auch ganz damit einverstanden, daß Jordan zu dem bezeichneten Zweck das erste Blatt abfasse, wollte aber, daß darin specielle Rücksicht auf die eben erfolgte Auflösung des Darmstädtischen Landtags genommen werde, <62> und einige Tage später überschickte er durch den Stud. Weller von Marburg, mit welchem er bei einem Pfarrer in der Nähe von Amöneburg eine Zusammenkunft hatte, ein Schreiben, worin er anführte, was er zu dem Ende besonders hervorgehoben zu sehen wünsche; durch Weller ließ er auch sagen, er werde in den nächsten Tagen selbst nach Marburg kommen, bis dahin möchten wir also den Abdruck des ersten Blattes anstehen lassen. Als er kam, konnte ich ihm schon die von Weller gefertigte Abschrift des Jordan’schen Manuscriptes,welches auch Heß und Breidenbach eingesehen hatten, vorlegen. Nach kurzer Durchsicht bemerkte er, daß es in diesem Augenblick vor Allem darauf ankomme, durch ein solches Blatt auf die neue Wahl zur Darmstädtischen Kammer zu wirken; deshalb proponire er, das, was in dem Jordan’schen Manuscript über die Auflösung der letzten Darmstädtischen Kammer vorkomme, zuvörderst allein abdrucken zu lassen; übrigens seyen auch hieran noch manche durch die Sache gebotene Abänderungen zu machen, welche er auf der Stelle selbst vornehmen wolle. Während er damit beschäftigt war, ließ er ohne Unterlaß Worte der höchsten Indignation vernehmen. „Man sieht“, äußerte er, „daß sich Jordan immer noch zu sehr als früheres Kammermitglied fühlt, denn sonst würde er nicht der letzten Darmstädtischen Kammer in solcher Weise den Hof machen. Und nun vollends diese Elogen auf Gagern!Kennt denn Jordan den Freiherrn v. Gagern so wenig? Sollte er wirklich nicht wissen, daß Gagern,wenn er heute an Monsieur du Thil’s Platz käme, um kein Haar breit besser wäre, wie dieser? Ja, was mich angeht, trage ich kein Bedenken, den du Thil dem v. Gagern sogar noch vorzuziehen!“ Das in dieser Art durch Jordan und Weidig zu Stande gekommene Blatt erschien dann unter dem Titel: „Leuchter und Beleuchter für Hessen oder der Hessen Nothwehr,5. Blatt.“

Endlich wurde das letzte aus der hiesigen Presse hervorgegangene Blatt, welches gleichsam als Fortsetzung des früher schon begonnenen sogen. Bauernconversationslexicons die Artikel „Freiheit, Fürst“ enthielt, nicht ohne Vorwissen Jordan’s zum Drucke befördert, wie denn auch Jordan noch am Abend vor meiner Ver<63>haftung in Gegenwart des Dr. Heß ein Exemplar des bewirkten Abdruckes erhielt.

Ich könnte mich nun in Betreff alles Dessen, was ich hier über Jordan vorgebracht habe,auf Dr. Heß,der gegenwärtig pract. Arzt zu Baltimore ist, insofern berufen, als diesem Das, wovon er nicht unmittelbar Zeuge war, stets unverweilt von mir mitgetheilt wurde. Doch will ich hierauf verzichten und mich nur auf Das stützen, was hinsichtlich einer Betheiligung Jordans an jenen revolutionären Bestrebungen, meinen Angaben zu Folge, außer Dr. Heß auch Dr. Hundeshagen – gegenwärtig Professor zu Heidelberg –, Weller, so viel mir bekannt, zur Zeit Lehrer zu Liestal – und Breidenbach, welcher dermalen zu Friedberg privatisirt, aus ihrer unmittelbar erlangten Kenntniß bestätigen können.Und gewiß reicht dieß auch schon völlig hin, die Ueberzeugung zu begründen, daß Jordan bei den im Frankfurter Attentat zum Ausbruch gekommenen revolutionären Unternehmen jedenfalls als Complottant und bei dem späteren geheimen Preßverein als Complottant und zugleich als Miturheber betheiligt gewesen sey. <74>

Endlich wurde ich bald nach meinem freiwilligen Geständniß auch über die Beziehungen Jordans zu dem geheimen Preßvereine vernommen und mir dabei vorgehalten: nach geschehener Aussage habe Jordan sich gegen mich über den aus der geheimen Presse hervorgegangenen „Hessischen Landboten“ geäußert, wie er denn auch selbst nicht in Abrede stelle, ein Exemplar dieses Blattes von mir erhalten zu haben. Durch diesen Vorhalt wurde ich denn zu der Angabe bewogen, ich hätte ihm allerdings ein Exemplar des Hess. Landboten, jedoch nur als Curiosum und mit dem Bemerken gezeigt, dasselbe sei mir von einem Marburger Studenten mitgetheilt worden, Jordan <75> habe es mir aber, nach kaum genommener Einsicht, unter Aeußerungen der größten Indignation über ein solches Machwerk zurückgegeben.

Dieß mein Verfahren in der Voruntersuchung, die im August 1840 geschlossen wurde. – In dem Criminalproceß, der von 1835–37 gegen mich geführt wurde, war schon bei der Voruntersuchung der Gegenstand in jeder Hinsicht so erschöpft worden, daß die Hauptuntersuchung im Wesentlichen nur noch in einem summarischen Verfahren bestand. Wäre bei dem im Frühjahre 1840 aufgenommenen Proceß dasselbe der Fall gewesen, so würde ich nach der im August 1840 beendigten Voruntersuchung nicht genöthigt gewesen seyn, in Betreff Jordans weitere Depositionen zu machen. So aber verhielt es sich hier gerade umgekehrt. Während nämlich in der Voruntersuchung die ganze Kunst des Untersuchungsrichters darin bestanden hatte, aus allen Ecken und ohne Unterschied der Mittel und Wege Material zusammenzuschleppen und dasselbe dann in seiner ganzen Nacktheit dem Inquisiten vorzuhalten, wurde erst in der Hauptuntersuchung das solcher Gestalt aufgehäufte Material gründlich bearbeitet. Daher kam es denn auch, daß ich in der Hauptuntersuchung erst noch recht heiße Kämpfe für Jordan zu bestehen hatte.

Gleich in den ersten, an vier aufeinander folgenden Tagen vorgenommenen Verhören, die jedesmal vier bis fünf Stunden dauerten, wurde ich nicht sowohl, wie ich es nach dem gewöhnlichen Gange der Hauptuntersuchung hätte erwarten dürfen, zunächst über mich selbst vernommen, sondern fast ausschließlich über Jordan,und zwar in Betreff des geheimen Preßvereins. Keinen Augenblick verbarg ich mir, worauf es hierbei ankomme. Deshalb hielt ich es auch hier durchaus nicht für rathsam, Alles kurzweg zu verneinen oder von gar nichts wissen zu wollen. Vielmehr schien es mir ungleich zweckmäßiger, unbedenkliche Zugeständnisse und Jordan scheinbar sogar verdächtigende Angaben zu machen, um desto leichter auf seine Exculpation gerichtete Aussagen vorbringen, insbesondere aber desto unterfänglicher den Kampf nach einer Seite hin aufnehmen <76> zu können, von der ihm, wie ich mir sagen durfte, die meiste Gefahr drohte.

Ich deponirte also: Weidig sei im Anfange des Juni 1834 hier gewesen, um mit mir und Dr. Heß die Preßvereinsangelegenheit zu besprechen, und habe mich bei dieser Gelegenheit ersucht, Jordan ebenfalls für den Preßverein zu gewinnen; sprach ich die Vermuthung aus, Weidig möge am nämlichen Tage selbst mit Jordan wegen des zu gründenden Preßvereins in Verkehr getreten seyn; gab ich an: als Aug. Becker zu mir gekommen sey, um mich zur Zusammenkunft auf die Badenburg einzuladen, habe ich von demselben vernommen, daß er zu gleichem Zwecke auch bei Jordan gewesen sey, und wiederholte die früher schon gemachte Aussage, daß ich Jordan ein Blatt des Hess. Landboten gezeigt habe. Ich fügte aber ad 1. an, ich habe mich ablehnend erklärt, nachdem ich schon vorher auf Befragen geäußert, daß ich mit Jordan nicht näher bekannt sey; ferner gründete ich die von mir ausgesprochene Vermuthung, Weidig möge selbst wegen des Preßvereins mit Jordan in Verbindung getreten seyn, wieder auf nichts als Vermuthungen; die sub 3. angeführte Deposition machte ich nicht, ohne dabei zu bemerken, daß sich Becker zugleich darüber bei mir beklagt habe, von Jordan in schnöder Weise abgewiesen worden zu seyn, und verfehlte endlich nicht, in Betreff des mitgetheilten Landboten ebenfalls Das zu wiederholen, was ich bereits in der Voruntersuchung darüber vorgebracht hatte. Außerdem wußte ich zur Exculpation noch anzuführen, Weidig habe, so oft er später in Marburg gewesen sey, Jordan nicht besucht, ja, als er einst an dessen Wohnung vorübergegangen sey, habe er sogar auf meine Frage, ob er Jordan nicht besuchen wolle, erklärt, daß er nicht wisse, was er bei demselben solle.

Daß diese Auslassungen an sich schon direct in nicht geringem Maaße zur Exculpation Jordans beitragen mußten, ist nicht zu verkennen. Dennoch aber hatten sie, wie schon oben bemerkt, hauptsächlich nur den Zweck, dem sicher erwarteten Angriff auf einen der gefährlichsten Punkte um so zuversichtlicher begegnen zu können. Diesen Angriffspunkt bildete das Blatt „der Leuchter und Beleuchter für Hessen oder der Hessen Nothwehr, Nr. 5.“, als dessen Verfasser <77> ich mich in der früheren Untersuchung bekannt hatte, während nach einer später von Aug. Becker gemachten Aussage Jordan der Verfasser seyn sollte. Vor dem Untersuchungsrichter in der wieder aufgenommenen Untersuchung, verneinte ich ganz einfach die mir hier zum ersten Male vorgehaltene Behauptung Beckers,und war damit die Sache an dieser Stelle abgethan. Von dem Hauptuntersuchungsrichter mußte ich jedoch, so wie ich ihn gleich aus seinen ersten Vorhalten beurtheilen lernte, erwarten, daß er sich nicht allein bei einer einfachen Verneinung nicht beruhigen, sondern auch die Schwäche an dem betreffenden Punkte auffinden und benutzen werde. Auch hatte ich mich hierin durchaus nicht ganz geirrt.

Bereits drei Tage hatten die Vernehmungen über Jordan in Bezug auf den Preßverein gedauert und noch war der erwartete Angriff auf diesen Punct nicht erfolgt. Je mehr er sich aber verzögerte, um so mehr wurde ich, den in der ersten Voruntersuchung gemachten Erfahrungen zu Folge, in der Ansicht bestärkt, daß der Hauptangriff wirklich damit beabsichtigt werde. Am vierten Tage endlich, als ich schon anfing ungeduldig darüber zu werden, daß sich diese Vernehmung über Jordan noch keinem Ende zuneigen wolle, erfolgte der Angriff, Anfangs leise, immer nachdrücklicher. Ich behauptete, wie früher, ich sey der Verfasser, und stellte, ganz der Wahrheit gemäß in Abrede, mit Aug. Becker über die Autorschaft je gesprochen zu haben. Hiernach wurde mir das Blatt zur Einsicht gegeben, um nochmals die Stellen zu bezeichnen, welche in demselben nach meiner in der ersten Voruntersuchung gemachten Angabe von Weidig herrühren <78> sollten. Natürlich sah ich hierin den ersten organisirten Angriff auf die Behauptung meiner Autorschaft, obschon ich nicht anders wußte, als die Stellen richtig angegeben zu haben. Ich gab sie daher auch wieder eben so an. Allein dießmal genügte meine Angabe nicht so, wie früher. In jener Voruntersuchung nämlich hatte es sich nicht darum gehandelt, festzustellen, daß ich wirklich der Verfasser sey. Man hatte auch keinen Anlaß, dieß in Zweifel zu ziehen, da noch keine Aussage gemacht worden war, daß das Blatt von einem Anderen, als von mir herrühre. Es galt damals nur, actenmäßig zu ermitteln, was, meiner Behauptung zur Folge, in dem Blatt von Weidig herrühre, und in dieser Beziehung war meine bloße Angabe ausreichend gewesen. Jetzt dagegen machte man mir den Vorhalt, daß dieselbe, wie aus dem Zusammenhange des Ganzen hervorgehe, nicht ganz richtig seyn könne. Ich weiß nicht mehr, wie es kam, kurzum ich war auf einmal im Stande, über das Ganze, wie über die von Weidig hinzugefügten Stellen insbesondere solchen Nachweis zu geben, daß der in dieser Weise versuchte Angriff wieder aufgegeben werden mußte. Uebrigens hielt ich diesen Angriff, den ich nicht einmal erwartet hatte, für den bloßen Vorläufer eines anderen, vor dem mir eigentlich allein nur bangte. Ich besorgte nämlich, man werde mir noch aus Darstellung und Schreibart zu beweisen suchen, daß das Blatt nicht wohl von mir, um so eher aber von Jordan abgefaßt sein könne. Auch glaubte ich, so oft der Untersuchungsrichter den Mund öffnete, er werde mir einen Vorhalt der Art machen. Da gelang es mir mit einem Male, den Angriffen eine ganz andre Richtung zu geben. Um gewissermaaßen zu zeigen, daß ich jede bestimmte Kenntniß von Beziehungen Jordans zum Preßvereine nicht deshalb verneine, um auf denselben gar nichts kommen zu lassen, that ich die Aeußerung, ich halte mich von einer Betheiligung Jordans an den Vorfällen von 1833 überzeugt. Dieß veranlaßte den Untersuchungsrichter sogleich, auf meine Seitenbewegung einzugehen und nach den Gründen der von mir ausgesprochenen Ueberzeugung zu fragen, worauf ich, froh, von dem zuletzt behandelten Thema loszukommen, mit größter Freigebigkeit eine ganze Reihe von Gründen entwickelte, von denen natürlich stets einer so nichtssagend, als der andere war. Hierbei deponirte ich denn auch, Jordans Verhältniß zu Döring sey in jener Zeit so ungewöhnlich intimer Art gewesen, daß ich das Motiv dafür weder in bloßer Freundschaft, noch in dem Umstand habe finden können, daß Jordan damals Dörings Gast war, ich habe also <79> vermuthen müssen, daß diese Intimität zwischen Beiden noch in anderen Beziehungen ihren Grund haben möge. Auch benutzte ich dieselbe Gelegenheit, um die Geschichte von dem von mir nicht gesehenen, sondern blos gehörten Fremden vorzubringen. Je weniger aber solche Gründe gegen Jordan zu zeugen vermochten, um so mehr hatte ich Ursache, mich zu freuen, auf diese Weise die Untersuchung auf ein anderes Feld, auf die Vorfälle von 1833, gezogen zu haben.

In den deßfallsigen Vernehmungen, die noch vierzehn Tage lang ohne Unterbrechung fortgesetzt wurden, wiederholte ich hinsichtlich Jordans im Wesentlichen meine in der Voruntersuchung gemachten Aussagen. Aus dem mich betreffenden Theil des Erkenntnisses erster Instanz muß ich zwar schließen, daß ich in der Hauptuntersuchung ausgesagt, Döring habe schon vor Degelings Eintreffen gegen Dr. Heß und mich geäußert, Jordan werde demnächst von Kassel zurückkehren und wir dann Gelegenheit erhalten, auch mit diesem über die Sache zu sprechen; ich kann jedoch diese Aussagen nur in Folge Dessen gemacht haben, daß ich mich des entsprechenden Passus aus der Voruntersuchung nicht mehr erinnerte. Dagegen ersehe ich zugleich aus demselben, das angebliche Mißtrauen gegen Döring,welches Heß und mich bestimmt habe, zu erklären, mit der ganzen Sache nichts zu schaffen haben zu wollen, müsse ich in der Hauptuntersuchung auch noch dadurch motivirt haben, daß von Seiten Dörings der Abreise Jordans gegen uns gar keine Erwähnung gethan worden sey.

Überlieferung
Druck: Leopold Eichelberg, „Nachtrag zum Jordan’schen Criminalproceß, zugleich als Beitrag zur Zeitgeschichte“, 1853, S. 52–63 u. 74–79 (vgl. MBA II.2, S. 137–143).