HL Dok 2.1.1.
Verhörprotokoll Johannes Borck; Alsfeld 16. Mai 1838

Im Jahre 1834 erhielt ich einen vierwochigen Urlaub von dem Provinzial-Commissariat zu Gießen und reiste einige Tage nach Pfingsten, die damals in den Monat Mai fielen, von Hause weg, so, daß ich den 24. May in Frankfurt ankam. <…> Ich mochte ohngefähr 14 Tage in Frankfurt gewesen sein, als ich eines Abends aus dem Senkenbergischen Musäum, über die Zeile nach Hause zurückkehrend, in der Nähe der Katharinen Pforte, dem Dr. Jucho begegnete. Wir bewillkommten uns einander, er fragte mich wo ich logire und bat mich ihn zuweilen zu besuchen. <…>

Nicht lange nachher, als mir Jucho an der Katharinen Pforte begegnet war, kam Dr. Jucho eines Nachmittags mit dem Dr. Weidig in meine Wohnung. Jucho gab an, er sey dem Dr. Weidig begegnet und habe ihm erzählt, daß ich mich auch in Frankfurt aufhalte. Ich führte beyde in mein Zimmer, wo wir uns einige Zeit unterhielten, und zwar über ganz gleichgültige Dinge. Er, Dr. Weidig, erzählte mir, er komme eben von Mainz und wolle heute noch nach Darmstadt und bemerkte dabei nächstens würde ein Blatt herauskommen, das den Landmann über dasjenige, was ihm Noth thue, aufklären solle. Ich bemerkte ihm dagegen, daß auf dem Wege, den er vielleicht beabsichtige der gewünschte Zweck – Volks Aufklärung – nicht erreicht werde, indem eine sichere Volks-Aufklärung nur das Resultat der Volkserziehung sein könne und daß die Zeitereignisse, wie sie sich auch gestalten möchten, nothwendig aus der Zeit selbst hervorgehen müßten, eine Idee, wie sie der Vernunft am meisten entspreche und wie sie auch Pölitz schon längst aufgestellt und anerkannt habe. Auf eine andere Art eine Umänderung des geselligen Zustandes herbeizuführen, sei auf keine Art zu billigen und werde eine Menge Menschen unglücklich machen. Dr. Weidig erwiederte hierauf nichts, verhielt sich sehr schweigsam, fragte mich noch über meine Abreise und andere gleichgültige Dinge und ging mit Jucho weg. <…>

Während der Unterhaltung mit Dr. Weidig auf meinem Zimmer, bei welcher außer Jucho Niemand zugegen war, nahm Dr. Jucho an derselben gar keinen Antheil. Derselbe sah’ die meiste Zeit über zum Fenster hinaus. Es war mir sehr befremdend von Weidig, dessen Verschlossenheit ich von jeher kannte, solche Eröffnungen zu hören. Wenn ich auch nicht gerade angeben kann, welche Motive ihn hierzu trieben, so hat er doch wenigstens vorausgesetzt, daß ich ihn, die wir uns schon 26 Jahre kannten, wenn auch sein Anschlag nicht gelingen sollte, nicht verrathen würde.

Überlieferung
Handschrift: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., Criminalia, Nr. 11782, fol. 400–403; Druck (Auszug): Friedrich Noellner, Actenmäßige Darlegung des wegen Hochverraths eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens gegen Pfarrer D. Friedrich Ludwig Weidig, 1844, S. 432 f. (vgl. MBA II. 2, S. 113 f.).